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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Herzblatt<br />

Immer wieder entdecke ich noch <strong>ein</strong> neues, <strong>ein</strong><br />

anders gefärbtes Herzblatt. Kann mich an der<br />

Vielfalt der lanzenartigen Blätter mit ihren<br />

überraschenden Zeichnungen, den ausgefallenen<br />

Farbkombination nicht sattsehen. Blatt neben<br />

herzförmiges Blatt auf lange Stiele gesteckt, zeigt<br />

jeder Tuff neue, überraschende Farben, umfasst<br />

<strong>ein</strong>e ganze Gamme an Pinks, Rosas <strong>und</strong> rötliche<br />

Nuancen bis hin zum warmen Dunkelrot, die sich<br />

überaus effektvoll vom dunklen Blattuntergr<strong>und</strong><br />

abheben. Ton in Ton bestechen sie durch<br />

abschattierte Nuancen, die vom hellen Gras bis<br />

zum fast schwarzen Dunkelgrün gehen. Oft gesellt<br />

sich auch Weiß dazu. So entstehen die<br />

unterschiedlichsten Kombinationen. Trikolor<br />

Grün-Weiß-Rosa oder schillernd, gar Grün in<br />

Grün. Nur der Natur mit ihrem unfehlbaren<br />

Geschmack gelingt es, sie so üppig zu malen, ohne<br />

kitschig zu werden.<br />

Auch puncto die Ornamente ist die Natur<br />

unschlagbar <strong>und</strong> unerschöpflich. Dekorativ<br />

strahlen die Adern vom Blattinnern nach außen.<br />

Die Muster <strong>und</strong> Zeichnungen, immer auf grünem<br />

Untergr<strong>und</strong>, sind vielfältig: weiß-rosa getigert,<br />

gefleckt, gesprenkelt, mit Punkten überhaucht.<br />

Dunkelgrün zeichnen die Blattnerven, die wie<br />

<strong>ein</strong>geritzt sch<strong>ein</strong>en, wie wenn das Blatt von innen<br />

her nachwachsen würde. Kratzer oder gar frisch<br />

nachgewachsenes Fleisch, unterteilen die Nerven<br />

das Blatt in regelmäßige Flächen. Die Zeichnungen<br />

der Venen imitieren Marmor oder andere<br />

wertvolle St<strong>ein</strong>e. Bei den <strong>ein</strong>en wirft sich das Blatt<br />

zwischen den Blattnerven blasig auf. Manche der<br />

Tajás, so heißen sie hier, werden bei idealen<br />

Bedingungen, viel, sehr viel Wasser, bis zu zwei<br />

Handspannen lang. Setzen die Regen aus, werden<br />

sie unsichtbar. Sie ziehen sich in ihre kl<strong>ein</strong>en<br />

Knollen im Boden zurück, wo sie auf die nächsten<br />

Güsse warten. Hat man sie dann vergessen, die<br />

Trockenperioden können dauern, sie halten es<br />

sicher monatelang aus, treiben sie nach langen<br />

Regenperioden doppelt schön wieder aus. Viele<br />

der altmodischen, oft nur halbmetrigen<br />

amazonischen Vorgärten schmücken sich mit den<br />

bunten Tuffen der Tajás, <strong>ein</strong> vollwertiger,<br />

<strong>ein</strong>heimischer Ersatz für die hier so seltenen<br />

Blumen. Ihre reichen Abschattierungen <strong>und</strong><br />

Halbtöne strahlen, leuchten heraus, ziehen sofort<br />

die Aufmerksamkeit auf sich.<br />

Im Volksm<strong>und</strong> <strong>und</strong> in den Lenden der Indigenen<br />

symbolisiert die „Tajás“ das Herz. Tajás sollen<br />

Glück in der Liebe, bei Jagd <strong>und</strong> Fischfang bringen.<br />

Oder gar die Liebe, wie es <strong>ein</strong>e der vielen Lenden<br />

will. Die Mitglieder <strong>ein</strong>es Indiostammes, die weder<br />

die Liebe kannten, noch als sehr tapfer bekannt<br />

waren, erwählten <strong>ein</strong>es Tages aus ihren Reihen<br />

<strong>ein</strong>en Krieger, der das Problem lösen sollte. Es<br />

wurde beschlossen, die Mutter Wald „Mãe do<br />

Mato“ um Hilfe zu bitten. Sie riet, aus <strong>ein</strong>em<br />

Schwarm Vögel denjenigen abzuschießen, der am<br />

höchsten flog. Gesagt, getan. Der <strong>ein</strong>same Krieger<br />

legte den toten Vogel in <strong>ein</strong>en Ring aus Feuer <strong>und</strong><br />

ging, wie befohlen, schlafen. Als er erwachte, fand<br />

er sich von „Tajás“ in den unterschiedlichsten<br />

Farben <strong>und</strong> Formen umringt.<br />

Und es kam noch besser! Jede Tajá symbolisierte<br />

<strong>ein</strong>e positive Eigenschaft. Der Indio wählte die<br />

„Tajá“ der Tugend, der Arbeit, der Ges<strong>und</strong>heit, des<br />

Friedens, der Liebe <strong>und</strong> des Glücks. Grub sie<br />

behutsam aus <strong>und</strong> brachte sie s<strong>ein</strong>em Volk.<br />

Auf diese blumige Weise lernen die Indigenen<br />

nicht nur die Liebe kennen, sondern wurden nie<br />

mehr als feige bezeichnet.<br />

Dem leuchtrosafarbenen, lang gezogenen Herz<br />

<strong>ein</strong>er „Tajá“ widersteht also so schnell k<strong>ein</strong>er.<br />

Sollte ich die Herzblume amazonischer Gärten<br />

küren, wäre es zweifellos die hier, <strong>ein</strong>e der vielen,<br />

ungezählten „Tajás“, amazonischer geht´s nicht<br />

mehr.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 921

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