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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Bin doch k<strong>ein</strong>e Schildkröte!<br />

Aus Ges<strong>und</strong>heitsgründen empfiehlt es sich ja, je<br />

näher man dem Äquator kommt, desto weniger<br />

rohe Speisen zu sich zu nehmen. Man vermeidet<br />

so unerwartete unangenehme Folgen. M<strong>ein</strong><br />

Schwiegervater aber, Gott hab ihn selig, <strong>und</strong> viele<br />

s<strong>ein</strong>er Zeitgenossen gingen <strong>und</strong> gehen noch<br />

weiter. S<strong>ein</strong> Kommentar war: “Bin doch k<strong>ein</strong>e<br />

Schildkröte, die nur Blätter frisst!” Sprach sich<br />

kategorisch gegen alles aus, was grün oder roh<br />

war. Auch Gemüse kam ihm nur untergejubelt<br />

über die Zunge. In den tagtäglichen Bohnen<br />

versteckt vielleicht, in der Fischsuppe oder als<br />

Vinaigrette getarnt. Klitzekl<strong>ein</strong>, wirklich winzig<br />

gehackt <strong>und</strong> st<strong>und</strong>enlang geschmacklos gekocht,<br />

reichte <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>ziger Winzsalat für die ganze<br />

zahlreiche Familie.<br />

Wie dramatisch das ganze ist, wird mir erst im<br />

sehr schicken Restaurant klar, als mich Gäste aus<br />

Europa fragten, ob es dann zu all dem Fisch gar<br />

k<strong>ein</strong> Gemüse gäbe..... . Der Kellner zaubert dann<br />

<strong>ein</strong>en vegetarischen Teller her, mit Karotten,<br />

sicher aus São Paulo importiert, Erbschen,<br />

garantiert tiefgefroren, <strong>und</strong> was weiß ich noch<br />

internationalem ... . Ernährungsberaterinnen<br />

haben es hier schwer. Essgewohnheiten ändert<br />

man nur langsam. Ansich ges<strong>und</strong>e Gewohnheiten<br />

wie der Nachmittagskaffee, der von Palmfrüchten<br />

wie “Pupunhas” oder leckeren Knollen wie die lila<br />

“Carás” begleitet werden, “Açaí” das man zum<br />

Fisch isst <strong>und</strong> Maniokwurzeln zum Frühstück,<br />

werden durch industrialisiertes Essen ersetzt. Dass<br />

alle Tuberkel als Gemüse <strong>und</strong> nicht als Kohlehydrate<br />

gelten <strong>und</strong> deshalb neben Reis <strong>und</strong><br />

Farinha am liebsten in Form von Pommes auf den<br />

Teller kommen, hinterfragt k<strong>ein</strong>er. Dass man<br />

daraus leckere Salate macht, so wie m<strong>ein</strong>e, finden<br />

alle höchst exotisch, besonders wenn ich die<br />

Zutaten nicht so lange zerkoche, bis man sie<br />

unisono mit dem Suppenlöffel essen kann.... .<br />

Schlendere ich allerdings über den Markt, stechen<br />

mir immer wieder w<strong>und</strong>erschön <strong>und</strong> liebevoll<br />

zusammengestellte Gemüsebouquets ins Auge.<br />

Echte Esskunstwerke, appetitlich, farbig, lecker.<br />

Altmodisch in Zeitungspapier <strong>ein</strong>gerollt gibt es hier<br />

lokalen Spinat genauso wie <strong>ein</strong> Stück Rote Bete,<br />

den obligaten Kohl <strong>und</strong> den Kürbis. Frage ich nach,<br />

sagt man mir, dass sie am besten mit <strong>ein</strong>em guten<br />

Stück <strong>ein</strong>gesalzenem Fisch schmecken würden,<br />

oder auch im Eintopf, da kommen gar noch<br />

Kochbananen dazu, finden sie traditionellerweise<br />

Verwendung, hier im Norden auch in den<br />

tagtäglichen Bohnen.<br />

All das sind Zeichen <strong>ein</strong>er Gesellschaft im<br />

Umschwung. Mit <strong>ein</strong>em Fuß in den Traditionen,<br />

mit dem anderen in <strong>ein</strong>er ungewissen Moderne, in<br />

der das industrialisierte Essen mit all s<strong>ein</strong>en<br />

leckeren Verlockungen <strong>und</strong> den unschlagbaren<br />

Preisen winkt. Nicht mal Arbeit gibt es. Muss<br />

weder geschält, noch kl<strong>ein</strong> geschnitten werden.<br />

Eigentlich schade.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 752

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