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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Im Kreuzfeuer<br />

Sie versuchen es auf die unterschiedlichsten,<br />

allerdings nicht sehr kreativen Arten, am<br />

penetrantesten ist wohl die Lautstärke, mich von<br />

ihrer Musikalität zu überzeugen. Dumpf <strong>und</strong><br />

gleichmäßig stampfen <strong>und</strong> pumpen die Bässe,<br />

über die der oder die Sänger/in <strong>ein</strong>en grölenden<br />

Klangteppich mit möglichst obszön-ordinären<br />

Texten schreit. Habe das äußerst zweifelhafte<br />

Vergnügen, mich sozusagen übers Kreuz <strong>und</strong> bis<br />

in alle Morgenst<strong>und</strong>en vom doch etwas<br />

<strong>ein</strong>fachen, ziemlich <strong>ein</strong>seitigen Musikgeschmack<br />

m<strong>ein</strong>er Vor-, Hinter- <strong>und</strong> Nebennachbarn<br />

überzeugen zu können. Vielleicht handelt es sich<br />

um <strong>ein</strong>en Wettbewerb? Ob sie gar um den Preis<br />

der ordinärsten Musik buhlen? Auch mit sehr viel<br />

Wohlwollen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>er Toleranz, die <strong>ein</strong>em Engel<br />

wohl anstände, gelingt es mir nicht, ins Klima<br />

<strong>ein</strong>zustimmen, dem Pressluftgehämmer auch nur<br />

das Geringste abzugewinnen.<br />

Sie legen immer wieder ganz unerwartet los.<br />

Sicher haben sie sich nicht abgesprochen,<br />

trotzdem beginnt das Kreuzfeuer fast gleichzeitig,<br />

die letzte Potenz <strong>und</strong> die hinterletzten Dezibels<br />

ausreizend, die ihre mobilen, voll aufgedrehten,<br />

super-potenten Lautsprecherkunstwerke,<br />

kunstvoll ganze Kofferräume <strong>ein</strong>es Mittelklassewagens<br />

füllend, hergeben. Werden noch lauter,<br />

wenn sie die Heckklappe <strong>und</strong> alle Türen weit<br />

aufreißen, um den So<strong>und</strong> so richtig<br />

herausschallen zu lassen, auf öffentlichen Plätzen<br />

genauso wie am Strand. Immer gibt es irgendwie<br />

<strong>ein</strong>e Möglichkeit, mit dem lautstarken Auto ganz<br />

dicht hinunter oder heraufzufahren, zum Beispiel<br />

zu dem exponiert auf <strong>ein</strong>em Hügel gebauten Haus,<br />

von dem die Rhythmen dann auf den halben See<br />

herunterpreschen. Man will doch auch beim Jet-<br />

Ski-Fahren nicht auf den dümmlichen Rhythmus<br />

verzichten. Außer mir sch<strong>ein</strong>t es k<strong>ein</strong>en wirklich zu<br />

be<strong>ein</strong>trächtigen, schließlich haben wir Karneval<br />

<strong>und</strong> da ist alles erlaubt, besonders wenn man die<br />

ganze Geld- <strong>und</strong> Machtsociety um sich herum<br />

versammelt hat. N<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong>greifen lohne sich nicht,<br />

man wisse bei solchen Anlässen oder Feiertagen<br />

nie, welche Drogen oder welcher Alkoholpegel im<br />

Spiel sei <strong>und</strong> die lieben Nachbarn wohl etwas<br />

schwerhörig, respektive taub gemacht habe.<br />

Stoisch aussitzen ist angesagt. Die Polizei zuckt,<br />

auch wenn man morgens um drei persönlich<br />

vorbeigeht, nur mit den Schultern. K<strong>ein</strong>er wagt es,<br />

das verlängerte Wochenende ist sowieso schon<br />

bald vorbei, sich mit den ignoranten, reichen <strong>und</strong><br />

halbstarken Nachbarn anzulegen, denn hier regiert<br />

Geld <strong>und</strong> Beziehungen die Welt oder die Politik.<br />

Trinke noch <strong>ein</strong>e Caiprinha <strong>und</strong> stopfe mir die<br />

Ohren zu. Das jedenfalls wird mir, auch mitten im<br />

Kreuzfeuer, vielleicht etwas Schlaf garantieren.<br />

Irgendwann erinnere ich mich auch an die<br />

Geschichte, die mir <strong>ein</strong> Bekannter erzählte. Er<br />

stammt aus Belém <strong>und</strong> nahm an <strong>ein</strong>em<br />

Studentenaustauschprogramm in Frankreich teil.<br />

Bald schloss er Fre<strong>und</strong>schaft mit <strong>ein</strong> paar<br />

Algeriern, die ihn auch umgehend zum Ausgehen<br />

<strong>ein</strong>luden. Was für <strong>ein</strong> Kulturschock, als er<br />

merkte, dass sie sich am Samstagabend nicht wie<br />

in s<strong>ein</strong>er Heimat, <strong>ein</strong>fach zusammen mit<br />

ohrenbetäubender Musik zudröhnen würden.<br />

Die jungen Leute machten nicht nur<br />

Konversation, sondern diskutierten heftig <strong>und</strong><br />

hatten alle <strong>ein</strong>e eigene M<strong>ein</strong>ung!!! Sowas hatte<br />

er, siehe Kreuzfeuer, in s<strong>ein</strong>er Heimat nie erlebt.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 530

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