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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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vermehrt <strong>und</strong> verbessert wurden. Von da aus<br />

wurden sie nach Malaysia, der englischen Kolonie<br />

verschifft, wo die geraubten Gummibäume in<br />

riesigen Plantagen angebaut wurden. Damit<br />

waren Brasilien sozusagen über Nacht die<br />

Geschäftsgr<strong>und</strong>lagen entzogen. Der industriell<br />

angebaute Kautschuk war dem aus der Wildnis<br />

heraus gebuckelten weit überlegen.<br />

Extreme Kontraste, soziale Ungerechtigkeiten,<br />

Ausbeutung <strong>und</strong> Freibeutertum sind typisch für<br />

jene Epoche, in der sich Kautschukbarone <strong>und</strong><br />

Händler, sie verdienten Ströme von Geld,<br />

Schwärmen <strong>und</strong> Schwärmen von Miserablen <strong>und</strong><br />

Untermenschen gegenüber standen, von<strong>ein</strong>ander<br />

abhängig waren, <strong>ein</strong> Muster, das sich bis auf den<br />

heutigen Tag in viel kl<strong>ein</strong>erer Skala noch immer<br />

wiederholt. Aber die Geschichte gehört den<br />

Erfolgreichen. Dieselben verdienten <strong>ein</strong> ihrem<br />

Reichtum entsprechendes Umfeld. Sie stampften<br />

dieses Manaus aus dem Boden, das, über Nacht<br />

sozusagen, explodierte, sott <strong>und</strong> sich damit für<br />

kurze Zeit in <strong>ein</strong> tropisches, <strong>ein</strong> Eiland der<br />

Zivilisation, <strong>ein</strong>e Hauptstadt des Dschungels<br />

verwandelte.<br />

Das Theater, versteckt hinter <strong>ein</strong>em wilden<br />

Gewirr elektrischer Leitungen <strong>und</strong> unschöner<br />

Lichtmasten, zeugt bis heute davon. Majestätisch,<br />

<strong>ein</strong>er Insel gleich, sticht es aus dem Meer der<br />

gesichtslosen Gebäuden heraus. Manaus ist bis<br />

heute nicht viel mehr als <strong>ein</strong>e Agglomeration, <strong>ein</strong>e<br />

Anhäufung von Gebäuden, <strong>ein</strong>e Stadt mit <strong>ein</strong>em<br />

sich selber überlassenen Zentrum, worin sie sich in<br />

nichts von anderen brasilianischen Städten<br />

unterscheidet. Das Theater aber besticht durch<br />

<strong>ein</strong>e exotische Schönheit, obwohl es eigentlich aus<br />

<strong>ein</strong>er überaus wilden Kollektion baulicher Stile <strong>und</strong><br />

Moden besteht. S<strong>ein</strong>e Architektur lässt k<strong>ein</strong>en<br />

Effekt aus <strong>und</strong> be<strong>ein</strong>druckt trotzdem. Das Dach<br />

mit s<strong>ein</strong>en vier Dachflächen, von <strong>ein</strong>em kurzen<br />

Turm mit <strong>ein</strong>er reich dekorierten Kuppel gekrönt,<br />

wirkt halb maurisch, halb Moschee. Die<br />

emaillierten Dachziegel in Grün, Blau, Gelb <strong>und</strong><br />

Ocker, <strong>ein</strong>e Hommage an die Farben der<br />

Brasilianischen Flagge, bestärken das Exotische.<br />

Praktisch das ganze Baumaterial, auch die Ziegel,<br />

letztere wurden aus dem Elsass, der Rest aus ganz<br />

Europa her geschifft: Die dekorativen Eisengitter<br />

stammen aus England, die Bronzen aus Belgien,<br />

die Kristallleuchter <strong>und</strong> Spiegel aus Murano.<br />

Rückt die rosafarbene Treppe in den Blick, legt sie<br />

den Baukörper frei, der an <strong>ein</strong> italienisches<br />

Renaissancepalazzi erinnert. Simpel, in <strong>ein</strong>em<br />

starken, königlichen Rosa bemalt, die<br />

Fensterstürze <strong>und</strong> Rahmen sind weiß akzentuiert.<br />

Der portugiesische Einfluss ist unverkennbar.<br />

Schließlich war das Gabinete Português de<br />

Engenharia e Arquitetura de Lisboa für die<br />

Konstruktion aus dem Jahre 1883 verantwortlich.<br />

Die Hauptfassade, dem großen Platz zugewandt,<br />

schwelgt im Prunk griechischer Säulen <strong>und</strong><br />

anderen hellenistischer Elemente. Die<br />

Innenausstattung steht dem in nichts nach. Das<br />

w<strong>und</strong>erschöne Holzparkett aus <strong>ein</strong>heimischem<br />

Tropenholz, es krönt den Innenausbau, bekam den<br />

edlen Glanz <strong>und</strong> die perfekte Form in Europa<br />

verpasst! Zurück verschifft konnte es dann in der<br />

Wildnis bestechen. Intarsien aus zweifarbigem<br />

Edelholz, dunkelstes, fast schwarzes Jacaranda<br />

<strong>und</strong> helles, klares Pau Marfim bilden zusammen<br />

mit allegorischen Deckenmalereien, sie<br />

glorifizieren die Schönen Künste <strong>Amazonien</strong>s,<br />

ellenhohe, elegante Spiegel <strong>und</strong> viel Stuck <strong>und</strong><br />

Gips <strong>ein</strong> verspieltes Ganzes voller Fru-fru, typisch<br />

für die Belle Époque. An den Wänden des<br />

großzügigen Zuschauerraumes prunken die<br />

Namen europäischer Poeten <strong>und</strong> Musiker. Einige<br />

von ihnen spielten, tanzten <strong>und</strong> musizierten hier.<br />

Auch Carlos Gomes, <strong>ein</strong>er der wenigen illusteren<br />

Brasilianer, dirigierte hier s<strong>ein</strong>e Opern.<br />

Wie es zu <strong>ein</strong>em Prachtbau dieser Größenordnung<br />

gehört, fehlt auch der riesige Ballsaal nicht. Heute<br />

tanzen auf s<strong>ein</strong>em kostbaren Parkett allerdings<br />

nur noch die Filzpantoffeln der Touristen, in der<br />

Mehrheit Ausländer. Kurioses Detail sind die<br />

buntfarbenen Spucknäpfe, die man zu dieser Zeit<br />

mit allergrößter Natürlichkeit benutzte. Beim<br />

Verlassen des Hauses über die majestätische<br />

Treppe, öffnet sich an deren Fuß <strong>ein</strong> riesiger<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 673

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