18.05.2018 Aufrufe

Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

diagonale Striche, Land, Wasser, Himmel zu<br />

<strong>ein</strong>em monotonen Braungrau zusammen. Ohne<br />

Hast werden die seitlichen, starkblauen<br />

Plastikplachen heruntergelassen. Noch mehr<br />

Leute ziehen sich in ihre Hängematten zurück.<br />

Auch ich versuche zu schlafen, was erstaunlich gut<br />

geht, besonders als ich mich noch in <strong>ein</strong><br />

Stück Wachstuch <strong>ein</strong>wickle, das eigentlich als<br />

Tischtuch gekauft wurde. Ein Souvenir, das mich<br />

später auf dem Küchentisch immer an diese Reise<br />

erinnern wird.<br />

Das Essen, der “Rancho”, <strong>ein</strong> im Preis<br />

inbegriffener, sehr willkommener Unterbruch, ist<br />

etwas gewöhnungsbedürftig. Wie auf geheimes<br />

Kommando bilden sich zur Essenszeit geduldige<br />

Schlangen. Rücken äußerst langsam ins kl<strong>ein</strong>e<br />

Speisezimmerchen vor. Da werden randvoll<br />

gefüllte Teller ausgegeben. So randvoll, dass vom<br />

durchsichtig-braunen Glasteller fast nichts mehr<br />

zu sehen ist: Reis <strong>und</strong> Bohnen, dazu Nudeln <strong>und</strong><br />

<strong>ein</strong> paar Stücke Fleisch, lieblos obenauf die<br />

Nudeln geschmissen. Daneben, hart am<br />

Tellerrand, Mayonnaise. Die paar<br />

Gemüsestückchen drin sollen sie wohl zum Salat<br />

machen. Daneben starkgelbes Maismus. Auf<br />

geheimnisvollem Weg wird immer wieder<br />

unsichtbar aus dem Schiffsbauch Nachschub<br />

nachgehoben. Alle werden satt. Ein ganz anderes<br />

Erlebnis aber das Frühstück, total den örtlichen<br />

Gegebenheiten angepasst. Dreierlei Früchte: Zwei<br />

eher kümmerliche Orangenhälften, bis auf die<br />

weiße Haut herunter geschält, fertig zum<br />

Aussaugen. Winzige Bananen, die w<strong>und</strong>erbar<br />

schmecken <strong>und</strong> zwei kl<strong>ein</strong>e Scheiben<br />

Wassermelone. Dann tiefviolette Carás, <strong>ein</strong>e der<br />

vielen Knollen, deren Geschmack von weitem an<br />

Kartoffeln erinnern <strong>und</strong> köstlich orangefarbene<br />

“Pupunhas”, <strong>ein</strong>e lokale Palmfrucht, in Salzwasser<br />

weich gekocht, im Plastikbecher. Sie machen die<br />

Brötchen, labbrig, sicher tagelang in Plastiksäcken<br />

aufbewahrt, überflüssig. Dazu Kaffee <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Stück<br />

übersüßen Maniokkuchen. Den w<strong>und</strong>erbar<br />

verkochten “Munguzá”, <strong>ein</strong> Brei aus ganzen,<br />

weißen Maiskörnern, hebe ich mir zum Schluss<br />

auf. Köstlich!<br />

Die Reise ist <strong>ein</strong>tönig, langweilig <strong>und</strong> monoton.<br />

Irgendwie sch<strong>ein</strong>t sie sich ständig zu wiederholen.<br />

Irgendwie sch<strong>ein</strong>en wir nicht vom Fleck zu<br />

kommen oder fahren ständig durch die immer<br />

gleichen Wasser. Dazu gießt es ununterbrochen<br />

<strong>und</strong> die blauen Plachen lassen nur Streifen grauer<br />

Himmel sehen. Irgendwie habe ich schon alles<br />

gelesen, gesehen, kann nicht mehr liegen noch<br />

stehen. Aber halt! Plötzlich beginnt es überall zu<br />

rumoren. Hängematten werden aufgerollt, Gepäck<br />

herumgeschubst, die steilen Leitern<br />

hinuntergeschleift. Der grasgrüne Boden des<br />

Schiffes ist in kürzester Zeit wie sauber gefegt.<br />

Ansteckende Erwartung ergreift alle. Aha, wir<br />

nähern uns dem Ziel der Reise. Irgendwo aus<br />

dem Nirgendwo taucht dann auch promt <strong>ein</strong><br />

improvisierter Hafen auf. Unzählige Schiffe liegen<br />

vor Anker. Ein schwimmender Pier aus Eisen<br />

schiebt sich in die Wasser hinaus. K<strong>ein</strong>er hält es<br />

mehr aus an Bord. Kaum hat das Schiff auch nur<br />

behelfsmäßig angelegt, springen <strong>ein</strong> paar<br />

Wagemutige auf den Pier, gleichzeitig wuseln,<br />

schieben <strong>und</strong> drücken muskulöse Gepäckträger<br />

durch alle Löcher an Bord. Ein <strong>ein</strong>ziges Schieben,<br />

Heben <strong>und</strong> Drängen. Schwere Koffer werden<br />

über Bord gehievt bis dann endlich der Steg,<br />

nicht viel besser als <strong>ein</strong>e Hühnerleiter,<br />

festgemacht ist. Endlich ergießt sich, ungeordnet<br />

<strong>und</strong> chaotisch, die ganze Menschenfracht auf die<br />

Kais. Taxifahrer schreien, preisen ihre Dienste an,<br />

packen ungefragt das Gepäck, um das sich schon<br />

Gepäckträger balgen. Verwandte <strong>und</strong> Bekannte<br />

fallen sich in die Arme, Kinder werden hastig von<br />

<strong>ein</strong>er Hand zur nächsten weitergereicht. K<strong>ein</strong>s<br />

gibt auch nur <strong>ein</strong>en Ton von sich. Auch das<br />

unförmige Schlagzeug, das halbe Dutzend Besen,<br />

der Blumentopf werden sicher an Land gehievt.<br />

Was für die <strong>ein</strong>en Heimkommen ist, ist für mich<br />

der Beginn <strong>ein</strong>es neuen Abenteuers, die Hälfte<br />

m<strong>ein</strong>er ersten Reise auf See.<br />

Good bye, Lady Christina, bis zur Rückfahrt, Lady<br />

Christina! Hat sich gelohnt, Lady Christina!<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 291

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!