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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Allerlei Verkehrsmittel II<br />

- „Mensch, jetzt hupt der schon wieder! Was<br />

mache ich denn falsch? Worauf will der mich<br />

denn aufmerksam machen? Ist <strong>ein</strong>e Tür nicht ganz<br />

geschlossen oder <strong>ein</strong> Rad locker?“ - St<strong>und</strong>en<br />

später, oder gar am nächsten Tag fällt der<br />

Groschen. Das Hupen galt gar nicht mir! Es war<br />

<strong>ein</strong> Mototaxi auf K<strong>und</strong>ensuche! Das Hupen<br />

machte potenzielle K<strong>und</strong>en auf das gerade vorbei<br />

schleichende, alternative Taxi aufmerksam!<br />

Will oder muss man sich im amazonischen<br />

Hinterland vorwärts bewegen, so diktiert die<br />

lokale Ökonomie <strong>und</strong> die ungeheuren Distanzen<br />

nicht nur den Rhythmus, sondern auch das<br />

Verkehrsmittel. Vom Ochsenkarren über das<br />

Pferd <strong>und</strong> das Fahrrad oder den zum Bus<br />

umfunktionierte Kombi gibt es alles. Geht es um<br />

das beste Preis-Leistungsverhältnis, so ist das<br />

Motorrad natürlich unschlagbar. Alle jungen<br />

Männer können es kaum erwarten, aus dem<br />

übervollen Bus ohne Klimaanlage auf so <strong>ein</strong><br />

stromlinienförmiges Crossmotorrad umzusteigen.<br />

Sie erinnern mit ihren hoch aufgerichteten<br />

Hinterteilen die in spitze Stacheln auslaufen an<br />

hochb<strong>ein</strong>ige Hornissen, sch<strong>ein</strong>en direkt <strong>ein</strong>em<br />

japanischen Mangacomic zu stammen. Mit so<br />

<strong>ein</strong>em Ding steigt das soziale Prestige zusammen<br />

mit dem Unfallrisiko drastisch.<br />

Die Mototaxis sind allgegenwärtig. „Mototaxis,<br />

Mototaxi! Mototaxi gefällig?“ – winkt,<br />

gestikuliert oder hupt es <strong>ein</strong>em entgegen. Wo man<br />

auch ankommt oder besser anlegt, je weiter ins<br />

Landesinnere man will, desto <strong>ein</strong>facher ist es mit<br />

dem Schiff, stehen sie schon laut gestikulierend,<br />

um K<strong>und</strong>en werbend, <strong>ein</strong>er mit dem anderen<br />

konkurrierend, am Hafen bereit. Ja, klar, es gibt<br />

auch normale Taxis, in allen möglichen Stadien der<br />

Konservierung, <strong>ein</strong>ige kurz vor dem Aus<strong>ein</strong>anderfallen.<br />

Und natürlich auch mit weniger<br />

Komfort, sprich Klimaanlage, je weiter entfernt von<br />

den urbanisierten Zentren.<br />

Wer es aber preiswerter <strong>und</strong> je nach Geschmack<br />

wohl auch authentischer haben möchte, sozusagen<br />

mit dem Fahrtwind als Kühlung <strong>und</strong> dem<br />

Straßenzustand als Nervenkitzel, schwingt sich auf<br />

den Beifahrersitz <strong>ein</strong>es Mototaxi. K<strong>ein</strong>e unnötigen<br />

Bedenken. Die Fahrer sind uniformiert, organisiert,<br />

registriert. Man kann sie auch anrufen, bestellen<br />

oder gar im Monatsabo buchen. Ruft man immer<br />

den selben, kann man auch auf s<strong>ein</strong>en Fahrstil<br />

gebührend Einfluss nehmen. Der Helm wird<br />

übrigens fre<strong>und</strong>licherweise mit ausgeliehen. Bleibt<br />

nur noch <strong>ein</strong> paar letzte Fragen: Wie geht man mit<br />

der ungewohnten Intimität um? Ist ja nicht<br />

jedermanns Sache, <strong>ein</strong>en wildfremden um den<br />

Bauch zu fassen. Genauso wenig, was man macht,<br />

wenn es regnet oder man viel Gepäck dabei hat?<br />

Hier gibt es für alles <strong>ein</strong>e Lösung. Ein Kind mehr<br />

oder <strong>ein</strong>e sperrige Schachtel, gar <strong>ein</strong>e Ladung<br />

Kehrbesen finden auf jedem Moto Platz.<br />

Wer also <strong>ein</strong>em Sonnenstich oder Hitzschlag, den<br />

holt man sich, geht man zu Fuß, der absolute<br />

Geheimtipp ist <strong>ein</strong> Regen- Pardon,<br />

Sonnenschirm, aus dem Weg geht, benutzt diese<br />

vielfältigen Zweiräder. Je weiter weg man vom<br />

Zentrum ist, desto elastischer interpretiert man<br />

leider auch die Helmtragepflicht <strong>und</strong> die maximal<br />

erlaubte Nutzlast. Das schmale Mädchen wird<br />

zwischen den Vater <strong>und</strong> den Lenker geklemmt,<br />

die Mutter kommt mit dem kl<strong>ein</strong>en Sohn auf den<br />

Rücksitz. Auch Fahrräder transportieren, was für<br />

Waden!, ganze Familien inklusive Kl<strong>ein</strong>kind im<br />

Arm der Mutter, die im Damensitz auf dem<br />

Gepäckträger thront.<br />

Im privilegierten, hochb<strong>ein</strong>igen Wagen mit<br />

Vierradantrieb unterwegs, weiß ich allerdings<br />

nicht, was wohl schlimmer ist. Denn wenn ich<br />

mich nicht irgendwo in <strong>ein</strong>en klimatisierten<br />

Elfenb<strong>ein</strong>turm zurückziehen will, muss ich alle<br />

m<strong>ein</strong>e europäischen Vorstellungen von<br />

Verkehrssicherheit irgendwo ganz tief hinten in<br />

m<strong>ein</strong>em Kopf archivieren, vergraben. Und das,<br />

obwohl ich noch nie in irgend<strong>ein</strong>er<br />

Extremsituation war: Im Flugzeug droht mich der<br />

endlose Regenwald zu verschlingen, im Winzboot<br />

fühle ich mich den unendlichen Wassermassen<br />

ausgeliefert, im Taxi den rücksichtslosen Fahrern<br />

<strong>und</strong> hier ist es die Straße von Santarém ins<br />

Landesinnere, <strong>ein</strong>e wichtige Verbindungsstraße,<br />

die mich erschreckt, mir eher wie <strong>ein</strong>e<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 475

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