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Verkehrswege und ihre Bedeutung für die Kulturlandschaft

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Pilgerwege <strong>und</strong> Siedlungsentwicklung 83<br />

um <strong>die</strong> Verbindung von Fernwallfahrtselementen, besonders bezüglich der Pilger<br />

aus Ungarn, Böhmen/Mähren <strong>und</strong> Österreich mit überregionaler <strong>und</strong> lokaler<br />

Wallfahrt zu mehreren Zentren, wobei Aachen, Köln <strong>und</strong> Trier aber immer im<br />

Mittelpunkt standen . Es scheint auf der Hand zu liegen, daß <strong>die</strong> siedlungswirksamen<br />

Elemente bei einer vornehmlich periodischen Wallfahrt relativ gering<br />

ausgeprägt waren, wenngleich man <strong>ihre</strong> Spuren auch in <strong>die</strong>sem Raum feststellen<br />

kann .<br />

In stärker generalisierender Form lassen sich folgende Hypothesen formulieren<br />

: Die Stärke der siedlungsbildenden, siedlungserweiternden oder -stabilisierenden<br />

Funktionen der Pilgerwege hing ab von der <strong>Bedeutung</strong> des Wallfahrtszieles<br />

<strong>und</strong> der Konstanz seiner Anziehungskraft über Jahrzehnte <strong>und</strong> Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

hinweg, wie er gewöhnlich bei Fernpilgerfahrten <strong>und</strong> Wallfahrten mit<br />

einem überregionalen Einzugsbereich gegeben war . `Impulsive Massenwallfahrten'<br />

(Schmugge 1982, 32 ff .) wie <strong>die</strong> Geißlerzüge von 1349, der Zug der<br />

Bianchi 1399 von Genua aus, <strong>die</strong> Kinderwallfahrten zum Mont Saint Michel<br />

1456-59 oder <strong>die</strong> »wilden« Pilgerfahrten nach Niklashausen 1476, zum Heiligen<br />

Blut von Wilsnack 1487 <strong>und</strong> 1516 bzw. zur Schönen Maria von Regensburg 1519<br />

blieben in <strong>ihre</strong>n dauerhaften Wirkungen trotz der enormen Pilgermassen siedlungsgeschichtlich<br />

unbedeutsam, während selbst bei regionalen oder lokalen<br />

Wallfahrten - zumindest in den Wallfahrtszielen selbst - deutliche Impulse zu<br />

verzeichnen sind, sofern eine gewisse Stetigkeit gewährleistet war . Je höher über<br />

einen längeren Zeitraum hinweg der Pilgerstrom war <strong>und</strong> je gleichmäßiger über<br />

<strong>die</strong> Jahre <strong>und</strong> den Jahresablauf verteilt, desto stärker mußte <strong>die</strong> Infrastruktur der<br />

Pilgerwege ausgebaut werden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wallfahrtsfunktion <strong>die</strong> sonstigen Funktionen<br />

von <strong>Verkehrswege</strong>n in den Hintergr<strong>und</strong> drängen .<br />

Ansatzpunkte <strong>für</strong> siedlungsgenetische Prozesse an von Pilgern genutzten Wegen<br />

<strong>und</strong> Straßen bzw . Fluß- <strong>und</strong> Seeschiffahrtsrouten boten alle neuralgischen<br />

Punkte im Verkehrssystem, Landeplätze <strong>und</strong> Häfen, Flußübergänge (Furten,<br />

Fähren, Brücken), Paßstrecken in den Hoch- <strong>und</strong> Mittelgebirgsregionen, siedlungsleere<br />

oder siedlungsarme Zonen (Wald, Heide, Bergregionen, Hochgebirge),<br />

Kreuzungspunkte von Straßen <strong>und</strong> Wegen bzw . von Land- <strong>und</strong> Wassertransportwegen<br />

. Man kann davon ausgehen, daß im mittel-, west- <strong>und</strong> südeuropäischen<br />

Raum, basierend auf ehemaligen Römerstraßen <strong>und</strong> älteren Wegesystemen,<br />

ein respektables Verkehrsnetz vorhanden war <strong>und</strong> <strong>für</strong> den früh- <strong>und</strong> hochmittelalterlichen<br />

Pilgerverkehr zur Verfügung stand . Darüber hinaus wurden im<br />

Mittelalter durch Herrscher <strong>und</strong> Adel zahlreiche neue Wege erschlossen, wobei<br />

<strong>die</strong> Bedürfnisse des immer besser organisierten Pilgerverkehrs zweifellos stimulierende<br />

Wirkung zeigten oder andere Verkehrsfunktionen zumindest verstärkten<br />

. Eine klare Trennung ist selten möglich .<br />

Ahnliches gilt <strong>für</strong> den Bestand an Siedlungen, an dem wir den durch <strong>die</strong> Wallfahrt<br />

gewonnenen Zuwachs messen können . Nur in Ausnahmefällen lassen sich<br />

neue Siedlungen <strong>und</strong> Siedlungstypen eindeutig <strong>und</strong> ausschließlich auf <strong>die</strong> Erfordernisse<br />

der Pilger zurückführen ; meist verstärken <strong>die</strong>se lediglich bereits vorhandene<br />

bzw . aus anderen Zusammenhängen resultierende Siedlungsansätze . Als<br />

hilfreich erweist sich bei der Untersuchung, wenn man allgemeine Bedingungen<br />

des Reisens im Mittelalter (zu Fuß, zu Pferd, Maultier oder Esel, auf Karren <strong>und</strong>

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