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Verkehrswege und ihre Bedeutung für die Kulturlandschaft

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Pilgerwege <strong>und</strong> Siedlungsentwicklung 87<br />

mittellosen oder armen Pilgern rechnen, <strong>die</strong> den Jakobsweg zu Fuß zurücklegten .<br />

Die siedlungsgeschichtlich wichtigen Impulse betrafen <strong>die</strong> alten Zentren entlang<br />

des Weges ebenso wie Neugründungen, wobei der Aufstieg von Siedlungskernen<br />

an Brücke <strong>und</strong> Hospital zur mittelalterlichen Stadt oder zumindest zum Stadtrechtsort<br />

(salvidades) keine Ausnahme darstellte . Eine starke Siedlungsbewegung<br />

von Frankreich aus ist unverkennbar ; sofern es sich um gelenkte Maßnahmen der<br />

spanischen Königreiche handelte, kann man eine enge Verbindung von militärischer<br />

Absicherung der Reconquista mit der Anziehungskraft des Jakobsweges<br />

annehmen . Aufgr<strong>und</strong> seiner Funktion als »Leitbahn« (A . Bonet Correa 1981, 31)<br />

<strong>für</strong> Literatur, Kunst, Kultformen, Technik (Brückenbau) <strong>und</strong> Wirtschaftsbeziehungen<br />

aller Art konnten <strong>die</strong> ursprünglich sehr starken herrschaftlich-militärischen<br />

Aspekte des Siedlungsprozesses am camino zurücktreten . Die große Zahl<br />

an Arbeits- <strong>und</strong> Ver<strong>die</strong>nstmöglichkeiten, <strong>die</strong> sich aus der Pilgerfahrt im tertiären<br />

Bereich ergaben, unterstreichen mehrere Passagen aus der wohl ebenfalls von<br />

Aimericus Picaudus verfaßten, aber Papst Calixtus II . (1119-24) zugeschriebenen<br />

Predigt Veneranda <strong>die</strong>s im Codex Calr'xtinus (Kl . Herbers 1986, 57-82), in<br />

denen .Mißstände auf dem Pilgerweg <strong>und</strong> Betrügereien an den Pilgern angeprangert<br />

werden . Sie belegen zusammen mit dem Pilgerführer selbst ein hochentwikkeltes<br />

Lebensmittel-, Wirts- <strong>und</strong> Beherbergungsgewerbe, <strong>die</strong> hohe Finanzkraft<br />

zahlreicher Pilger, <strong>die</strong> von Bankiers, Wechslern <strong>und</strong> Zöllnern ausgenutzt wird,<br />

auf Pilgerbedürfnisse spezialisierte Handwerker (Kerzenmacher, Hersteller von<br />

Pilgerzeichen), Krämer (Muscheln, Weihrauch, Gewürze, Textilien etc .) <strong>und</strong><br />

Ärzte, nicht zuletzt als Profiteure an der Straße <strong>und</strong> in den Herbergen Räuber<br />

(cinnatores), Pferdeabdecker, Diebe, Betrüger, falsche Bettler <strong>und</strong> Dirnen . Ein<br />

kleines Zitat, um <strong>die</strong> kräftige Sprache <strong>die</strong>ser Predigt zu demonstrieren (Kl . Herbers<br />

1986, 73) : »Was soll ich . . . von der Dienerin sagen, <strong>die</strong> auf Geheiß der<br />

Herrin das Wasser im Haus vergießt, damit <strong>die</strong> durstenden Pilger in der Nacht<br />

kein Wasser finden <strong>und</strong> den Wein des Wirts kaufen? Was ist mit jener, <strong>die</strong> nachts<br />

mit Zustimmung des Wirtes Hafer oder Gerste aus den Futterkrippen stiehlt? Sie<br />

seien verdammt! Ebenso treffe der Bann <strong>die</strong> Wirtsmägde, <strong>die</strong> sich aus Hurerei<br />

<strong>und</strong> Geldgier auf teuflisches Geheiß nachts den Pilgerbetten zu nähern pflegen .<br />

Die Dirnen, <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> zwischen der Mino-Brücke <strong>und</strong> Palas del Rey<br />

an waldreichen Orten den Pilgern häufig entgegentreten, müssen nicht nur exkommuniziert,<br />

sondern von allen geplündert <strong>und</strong> durch Abschneiden der Nase<br />

öffentlich geächtet werden .«<br />

Der Autor des Pilgerführers nach Santiago, der <strong>die</strong> vier Hauptrouten von<br />

Frankreich aus, <strong>die</strong> Va turonenis, <strong>die</strong> Va lemovicensis, <strong>die</strong> Va podensr's <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Va tolosana in dem Kapitel VIII näher beschreibt, gibt schon in der Überschrift<br />

das wesentlichste Kriterium seiner Auswahl an : »Heilige Leichname, <strong>die</strong> am Jakobsweg<br />

ruhen, <strong>und</strong> welche <strong>die</strong> Pilger aufsuchen müssen .« (Kl . Herbers 1986,<br />

105-133) . Auch <strong>die</strong> Wahl der Ausgangspunkte, Tours, Vezelay, Le Puy <strong>und</strong> St .<br />

Gilles (bzw . Arles) unterstreicht <strong>die</strong> Orientierung an den großen Pilgerzentren<br />

Frankreichs, <strong>die</strong> selbst wieder als Sammelorte <strong>für</strong> Reisende aus den übrigen Re-

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