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Verkehrswege und ihre Bedeutung für die Kulturlandschaft

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90 F . Irsigler<br />

nach Santiago -, relativiert sich, wenn man zum einen <strong>die</strong> eigenständige Kraft der<br />

überregionalen französischen Wallfahrtszentren, zum anderen <strong>die</strong> Konkurrenzsituation<br />

der vier Hauptwege mit <strong>ihre</strong>n zahlreichen Abzweigungen, Umwegen<br />

<strong>und</strong> Nebenrouten berücksichtigt . So eindeutig, wie <strong>die</strong>s <strong>für</strong> den camino seit<br />

dem 11 ./12 . Jahrh<strong>und</strong>ert festzustellen ist, erscheint <strong>die</strong> Pilgerstraßenfunktion der<br />

französischen Wege auf keinen Fall ; es war eine Funktion unter vielen anderen,<br />

vor allem strategischen <strong>und</strong> kommerziellen . Die Pilgerströme verteilten sich, auch<br />

in der Zeit der Jubeljahrwallfahrten . Nur in Ausnahmefällen, d .h . bei der Neuanlage<br />

von Wegen <strong>und</strong> Straßen durch menschenleere, unsichere oder aus geographischen<br />

Gründen schwer zu bewältigende Gegenden, <strong>die</strong> in erster Linie Pilgern<br />

<strong>die</strong>nen sollten, sowie bei der Herausbildung von Nebenrouten, auf denen man zu<br />

Fuß rascher oder sicherer reiste als auf den befestigten Straßen römischer oder<br />

mittelalterlicher Provenienz, lassen sich Veränderungen der Naturlandschaft <strong>und</strong><br />

Siedlungsimpulse eindeutig auf Wallfahrt oder Pilgerverkehr zurückführen .<br />

Die ungewöhnlich intensive französische Pilger- <strong>und</strong> Pilgerstraßenforschung<br />

konzentrierte sich in den letzten Jahrzehnten, allerdings selten unter erklärt siedlungsgeschichtlichen<br />

Fragestellungen, auf Infrastrukturelemente an den Pilgerwegen<br />

(Hospitäler, Herbergen, Brücken, Kapellen, Wegekreuze usw .) <strong>und</strong>, mit<br />

beachtlichem Erfolg, auf Siedlungstypen wie salvitates (sauvetes), bastides, villes<br />

neuves u.a ., <strong>die</strong> man als Stadtrechtsorte bezeichnen könnte .<br />

Die große Welle der Pilgerhospitalgründungen erfolgt in West- <strong>und</strong> Südfrankreich<br />

etwas später als am camino in Spanien, mit Ausnahme des Raumes um<br />

Toulouse, den R . de la Coste-Messeliere <strong>und</strong> G . Jugnot (1980, 119) als »une<br />

veritable plaque tournante en matiere d'itineraires pelerins« bezeichnet haben . L .<br />

Schmugge (1983, 43) unterscheidet drei Wellen von Hospitalgründungen, eine<br />

erste »in der Folge der gregorianischen Reform <strong>und</strong> dank der Aktivitäten des<br />

Klosters Cluny«, eine zweite ab der Mitte des 12 . Jahrh<strong>und</strong>erts »als ein Zeichen<br />

des neuen Armutsbewußtseins unter starker Beteiligung der schenkungsfreudigen<br />

Laien«, <strong>die</strong> auch in anderen Teilen Südfrankreichs festzustellen sei, <strong>und</strong> eine<br />

dritte Phase nach dem Ende der Albigenserkriege . Die Zahlen sind beeindrukkend<br />

: In Toulouse (25-30000 Einwohner) gab es um 1250 15 Hospitäler ; fünf<br />

dürften um 1100, sechs um 1150 gegründet worden sein (J . M<strong>und</strong>y 1966) . In der<br />

Languedoc dürfte der überwiegende Teil der karitativen Einrichtungen <strong>für</strong> Pilger<br />

zwischen 1150 <strong>und</strong> 1230 entstanden sein ; in Arles z .B . sind zwischen 1116/19<br />

<strong>und</strong> ca . 1250 16 Hospitäler in <strong>und</strong> vor der Stadt nachweisbar (L . Schmugge 1983,<br />

43) . Nichtsdestoweniger fällt es bei den Hospitalgründungen in den großen alten<br />

Zentren Süd- <strong>und</strong> auch Westfrankreichs schwer, <strong>die</strong> Elemente der speziellen Pilger-<br />

<strong>und</strong> der allgemeinen Armen<strong>für</strong>sorge klar zu trennen .<br />

Anders liegen <strong>die</strong> Verhältnisse etwa in der Auvergne im Bereich des Pilgerweges<br />

von Le Puy nach Conques <strong>und</strong> weiter nach Moissac <strong>und</strong> Ostabat . Als<br />

außerordentlich folgenreich erwies sich <strong>die</strong> Gründung des Pilgerhospitals von<br />

Aubrac in 1400 m Höhe um 1120/22 durch den adeligen Pilger Adalhard ; wahrscheinlich<br />

handelt es sich um den M<strong>und</strong>schenk des Grafen von Flandern (P .A.<br />

Sigal 1974, 70) . Das Hospital sollte den gefährlichen <strong>und</strong> mühsamen Weg durch<br />

den einsamsten Teil der Rouergue erleichtern . In der Folge bildete sich wie bei<br />

vielen <strong>die</strong>ser Pilgerhospitäler eine kleine Gemeinschaft von Priestern <strong>und</strong> Laien,

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