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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Ursula Schmidt<br />

tungserweis allererst geschaffen, nämlich eine „theoretische Basis” verfügbar gemacht<br />

werden, die als verlässliche und gemeinsame Grundlage für die Entscheidung<br />

fungieren kann. Insofern geht es beim Argumentieren niemals nur um die in <strong>der</strong> These<br />

und den Argumenten direkt angesprochenen Inhalte, son<strong>der</strong>n immer auch um die Voraussetzungen,<br />

die als subjektive und begriffliche Komponenten in ihre Formulierung<br />

eingehen.<br />

<strong>Die</strong> beim Argumentieren zwischen <strong>der</strong> These und den Argumenten bestehende Rel<strong>at</strong>ion<br />

ist deshalb auch keine einseitige Folgerungsbeziehung, bei <strong>der</strong> von bereits anerkannten<br />

o<strong>der</strong> unabhängig zu rechtfertigenden Aussagen – als Prämissen – zu <strong>der</strong> jeweils<br />

zur Disposition stehenden Behauptung – als Konklusion – übergegangen wird.<br />

St<strong>at</strong>tdessen handelt es sich um ein Verhältnis wechselseitiger Stützung: Der Begründungszusammenhang,<br />

<strong>der</strong> darauf angelegt ist, die These zu begründen, wirkt zugleich<br />

umgekehrt auf die Voraussetzungen, die in die Begründung eingehen, zurück (Wohlrapp<br />

1990, 401ff). 9<br />

<strong>Die</strong>se sogenannte „Retroflexivität“ meint keinen Zirkel im Sinne einer in beide Richtungen<br />

gehenden Voraussetzungs-Folgerungs-Rel<strong>at</strong>ion, son<strong>der</strong>n ist eher als eine Art<br />

Rückkopplungsschleife zu verstehen, in <strong>der</strong> sich die Bewegung des Argumentierens<br />

zeigt. Denn da eine theoretische Basis für die These allererst hergestellt bzw. die bereits<br />

verfügbare Basis noch aufgebessert werden muss, sind die an <strong>der</strong> argument<strong>at</strong>iven<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung Beteiligten zunächst mehr o<strong>der</strong> weniger auf ihre je eigenen Orientierungen<br />

und Vorverständnisse angewiesen, wenn sie Argumente für o<strong>der</strong> gegen<br />

die These vorbringen. Das heißt, es steht gar nicht von vornherein fest, welche Voraussetzungen<br />

als bereits gesichert in Anspruch genommen werden können, wie die<br />

These genau zu verstehen und was für ihre Begründung relevant ist. Das stellt sich,<br />

wenn es gut geht, erst im Zuge des Argumentierens selbst – bei <strong>der</strong> Erörterung <strong>der</strong><br />

Geltung <strong>der</strong> These – heraus. Denn mit jedem Argument<strong>at</strong>ionsschritt, <strong>der</strong> zur Begründung<br />

<strong>der</strong> These beiträgt, wird auch eine genauere Bestimmung des Gemeinten und<br />

des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Elementen erreicht; in diesem Bezug<br />

weisen sich die jeweils in den Argumenten als geltungsrelevant ins Spiel gebrachten<br />

Strukturen gewissermaßen als solche aus, werden also selbst stabiler und damit tendenziell<br />

zum Bestandteil <strong>der</strong> theoretischen Basis, wodurch wie<strong>der</strong>um die These ein<br />

festeres Fundament und eine klarere Bedeutung gewinnt, bis schließlich – im Idealfall<br />

– eine Basis verfügbar ist, auf <strong>der</strong> die These stehen kann, und eine vollständige Begründung<br />

vorliegt.<br />

So gesehen entsteht die Diskrepanz zwischen formaler Logik und Argument<strong>at</strong>ionspraxis<br />

nicht etwa dadurch, dass beim Argumentieren die logischen Regeln und Maßstäbe<br />

nicht richtig eingehalten würden. Denn aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Argumentierenden, die ihre<br />

je eigenen Voraussetzungen zunächst als selbstverständlich unterstellen, entsprechen<br />

die jeweils hergestellten Verknüpfungen in <strong>der</strong> Regel durchaus den logischen Standards.<br />

Sie ergibt sich vielmehr daraus, dass die theoretische Basis, auf die man sich<br />

bei <strong>der</strong> Erörterung <strong>der</strong> Geltung <strong>der</strong> These zu stützen versucht, als solche selbst erst im<br />

Zuge <strong>der</strong> argument<strong>at</strong>iven Auseinan<strong>der</strong>setzung hergestellt werden kann.<br />

9 Vgl hierzu auch Wohlrapp 1998

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