15.11.2012 Aufrufe

Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

166<br />

Herbert Bickel<br />

Herbert Bickel<br />

Psychoanalytische Sozialforschung<br />

Psychoanalytische Sozialforschung steht in Opposition zu Psychoanalytischer Therapie.<br />

Sie ist primär an Erkenntnis und nicht an Heilung interessiert. Opposition bedeutet<br />

jedoch keineswegs Rückzug auf die jeweils eigene Position als vielmehr <strong>Diskurs</strong><br />

verwandter Gegensätzlichkeiten. Es ist klar, dass auch in Psychoanalytischer Therapie<br />

Heilung über Erkenntnis führt: über das rückblickende Erkennen unbewusster biographischer<br />

Zusammenhänge, über das vorausblickende Erkennen unbewusster biographischer<br />

Visionen, über das gegenwartsbezogene Erkennen konkreter biographischer<br />

Möglichkeiten. <strong>Die</strong> Frage bleibt, inwieweit ein therapeutischer Wahrheitsbegriff, <strong>der</strong><br />

sich an Erfolg und Misserfolg geplanter therapeutischer Verän<strong>der</strong>ung orientiert, mit<br />

seinem wissenschaftlichen Pendant in <strong>Diskurs</strong> zu treten vermag. Jenseits unterschiedlicher<br />

Zugänge zu Wahrheit und Erkenntnis findet dennoch ein Austausch darüber<br />

st<strong>at</strong>t, inwieweit und auf welche Weise Psychoanalytische Sozialwissenschaft die Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung sozialer Gegebenheiten aus dem Bereich Psychoanalytischer<br />

Therapie in den Bereich Psychoanalytischer Sozialforschung zu übernehmen<br />

h<strong>at</strong>. <strong>Die</strong>se Überlegung erhält zusätzliche Brisanz, wenn sich Psychoanalytische Sozialwissenschaft<br />

als Psychoanalytische Pädagogik o<strong>der</strong> Psychoanalytische Erziehungswissenschaft<br />

versteht. Sowohl für die Tradition Psychoanalytischer Pädagogik als<br />

auch für das recht neue Konzept einer Psychoanalytischen Erziehungswissenschaft<br />

scheint die Vorstellung relevant, an die Stelle einer therapeutischen Verän<strong>der</strong>ung im<br />

Rahmen eines therapeutischen Settings unterschiedliche Möglichkeiten kultur- und<br />

gesellschaftsverän<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Intervention im Sinne eines pädagogisch-therapeutischen<br />

Handelns auf Basis bewusstheitschaffen<strong>der</strong> Aktivität treten zu lassen. <strong>Die</strong>s kann sowohl<br />

im Rahmen akademischer als auch im Rahmen populärwissenschaftlicher bzw.<br />

wissenschaftsjournalistischer sowie im Rahmen kunstschaffen<strong>der</strong> und kunstvermitteln<strong>der</strong><br />

Tätigkeiten geschehen. <strong>Die</strong> Frage intellektueller Verantwortlichkeit angesichts<br />

jeweils aktueller politischer und sozialer Realität wird dabei in aller Schärfe gestellt.<br />

Der <strong>Diskurs</strong> zwischen Psychoanalytischer Sozialwissenschaft und Psychoanalytischer<br />

Therapie beruht somit auf <strong>der</strong> Hypothese, dass Erkenntnisdefizit als ein Mangel an<br />

Bewusstheit ungewünschte Realitäten schafft und gewünschte Identität bzw., um eine<br />

zentrale For<strong>der</strong>ung des französischen Existentialismus ins Spiel zu bringen, die Möglichkeit<br />

des Existierens behin<strong>der</strong>t. Aus <strong>der</strong> Perspektive Psychoanalytischer Pädagogik<br />

bzw. Psychoanalytischer Erziehungswissenschaft liegt gerade darin ein wesentliches<br />

Argument, Psychoanalytische Sozialforschung in den <strong>Die</strong>nst eines kultur- und gesellschaftskritischen<br />

Bemühens um Bewusstheit zu stellen und dadurch einen Zuwachs<br />

an Freiheit und Autonomie zu gewähren.<br />

Das sowohl wissenschaftliche als auch pädagogisch-therapeutische Interesse Psychoanalytischer<br />

Sozialforschung ist dabei allerdings vom Umstand geprägt, dass <strong>der</strong> Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Psychoanalyse in einem Bereich jenseits liegt: im Bereich jenseits des<br />

Bewussten, im Bereich jenseits des Normhaften, im Bereich jenseits des Erlaubten –<br />

und nicht zuletzt und in aller Konsequenz: im Bereich jenseits des Sagbaren. So bleibt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!