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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Winfried Marotzki<br />

Winfried Marotzki<br />

Methodologie und <strong>Methode</strong>n <strong>der</strong> Biographieforschung<br />

Biographie ist die wissenschaftliche o<strong>der</strong> literarische Darstellung <strong>der</strong> Lebensgeschichte<br />

von Menschen. Bios bedeutet, aus dem Griechischen stammend, Leben, aber<br />

auch Lebensform; Graphe bedeutet Schrift. Biographie ist also gleichsam die Schrift<br />

eines Lebens, individuell o<strong>der</strong> kollektiv – das muss an dieser Stelle noch nicht entschieden<br />

werden. Biographieforschung ist gleichsam die Entzifferung dieser Schrift<br />

eines Lebens. Zu klären ist im folgenden, wie in diesem Zusammenhang verstanden<br />

werden kann, was Schrift eines Lebens heißt. <strong>Die</strong>sen Schritt will ich als methodologische<br />

Grundlegung vollziehen. Zweitens soll geklärt werden, wie Forschung ein Wissen<br />

über Biographien aufbauen kann. Hier soll es um Fragen <strong>der</strong> <strong>Methode</strong>n gehen.<br />

1. Methodologie: die Schrift des Lebens<br />

Um die <strong>Methode</strong>nfrage sinnvoll stellen und bearbeiten zu können, müssen zwei methodologische<br />

Grundannahmen expliziert werden: zum einen die Annahme <strong>der</strong> Unhintergehbarkeit<br />

interpret<strong>at</strong>orischer Leistungen (Interpret<strong>at</strong>ionsapriori) und zum zweiten<br />

die Annahme, dass die soziale Wirklichkeit grundsätzlich in kulturellen Symbolsystemen<br />

konstituiert wird.<br />

1.1 Das Interpret<strong>at</strong>ionsapriori<br />

Biographieforschung kann zunächst allgemein <strong>der</strong> Qualit<strong>at</strong>iven Sozialforschung zugerechnet<br />

werden. Sie kann gleichsam als <strong>der</strong> populärste erziehungswissenschaftliche<br />

Nachfolger dessen verstanden werden, was man in den siebziger Jahren das Interpret<strong>at</strong>ive<br />

Paradigma genannt und es in Anlehnung an Wilson (1973) vom Norm<strong>at</strong>iven Paradigma<br />

abgegrenzt h<strong>at</strong>. <strong>Die</strong> Arbeitsgruppe Bielefel<strong>der</strong> Soziologen (1976) trifft diese<br />

Unterscheidung so, dass mit dem ersten – vereinfacht ausgedrückt – das Amalgam aus<br />

dem Symbolischen Interaktionismus und <strong>der</strong> Ethnomethodologie, mit dem zweiten,<br />

dem Norm<strong>at</strong>iven Paradigma, das Amalgam aus Strukturfunktionalismus (Parson) und<br />

positivistisch orientiertem Empirismus gemeint sei. Das erste beziehe sich auf die von<br />

den Interpret<strong>at</strong>ionsleistungen <strong>der</strong> Subjekte abhängigen, das zweite auf die davon unabhängige,<br />

sogenannte objektive Realität. Das erste lehne die Übernahme n<strong>at</strong>urwissenschaftlicher<br />

Methodologie überwiegend ab, das zweite nicht. System<strong>at</strong>isch in<br />

Rechnung gestellt wird die im Prozess <strong>der</strong> Sozialis<strong>at</strong>ion gebildete Fähigkeit <strong>der</strong> Menschen,<br />

soziale und n<strong>at</strong>ürliche Zusammenhänge zu deuten. Wahrnehmen und soziales<br />

Handeln beruhen in dieser Perspektive auf einem Interpret<strong>at</strong>ionsprozess. <strong>Die</strong> sinnhafte<br />

Strukturierung des sozialen Handelns geschieht durch die Handelnden selbst.<br />

Im Folgenden möchte ich jene Objektivität, die von den Subjekten interpret<strong>at</strong>iv aufbereitet<br />

wird, als Realität bezeichnen und jene durch die Subjekte interpret<strong>at</strong>iv aufberei-

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