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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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2.3 Objektive Hermeneutik<br />

Qualit<strong>at</strong>ive Inhaltsanalyse<br />

361<br />

Jedes Projekt, jede Prozedur, jede Theorie muß für sich und nach Maßstäben gemessen werden,<br />

die an die relevanten Prozesse angepaßt sind. <strong>Die</strong> Idee einer universellen und stabilen <strong>Methode</strong><br />

und die entsprechende Idee einer universellen und stabilen R<strong>at</strong>ionalität sind ebenso unrealistisch<br />

wie die Idee eines Meßinstrumentariums, das jede Größe in allen nur möglichen Umständen<br />

mißt. Wissenschaftler än<strong>der</strong>n ihre Maßstäbe, ihre Verfahrensweisen, ihre R<strong>at</strong>ionalitätskriterien<br />

im Verlauf ihrer Forschung genauso, wie sie ihre Meßinstrumente und ihre Theorien<br />

än<strong>der</strong>n. (Paul Feyerabend)<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung zum wohl differenziertesten Verfahren qualit<strong>at</strong>iver D<strong>at</strong>eninterpret<strong>at</strong>ion<br />

geht vorwiegend auf die Arbeiten von Oevermann und seiner Mitarbeiter (z.B.<br />

Krappmann, Kreppner, Schütze, Gripp, Kronau) am Berliner Max Planck-Institut für<br />

Bildungsforschung zurück. Schon Ende <strong>der</strong> 60er Jahre führten die Unzulänglichkeiten<br />

quantit<strong>at</strong>iver Untersuchungsergebnisse Oevermann, Krappmann und Kreppner zu einer<br />

entsprechend kritischen Betrachtung (vgl. Reichertz 1991, 224) und darauf aufbauend<br />

zunächst zur Entwicklung qualit<strong>at</strong>iver Erhebungsvarianten, später zu spezifischen<br />

qualit<strong>at</strong>iven, hermeneutischen Auswertungsverfahren. Methodische Basis bildete<br />

die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Kompetenz-Performanz-Modell Chomskys,<br />

den Konzepten Freuds und W<strong>at</strong>zlawicks 9 , Piagets Lerntheorie und die Zugänge von<br />

Mead, Searles und Peirce. 10<br />

Nach Reichertz (1991, 226) wird im Verlauf <strong>der</strong> Analyse rekonstruiert, welche Struktur<br />

im untersuchten Text zu finden ist. Beschreibungen dieser Struktur haben möglichst<br />

trennscharf zu erfolgen. Gesetzt den Fall, dass in <strong>der</strong> weiteren Analyse eine<br />

Stelle <strong>der</strong> zuvor festgelegten Strukturbeschreibung wi<strong>der</strong>spricht, kann die Hypothese<br />

als falsifiziert gelten – an<strong>der</strong>nfalls gilt die Rekonstruktion bis auf weiteres gültig.<br />

Aussagen über die Struktur von Typen ergeben sich nach zahlreichen Einzelfallstudien,<br />

sozusagen „in the long way“.<br />

Beim „Objektiven“ von Oevermanns Hermeneutik ist <strong>der</strong> Analysegegenstand nicht<br />

im intentierten Sinn des Akteurs zu suchen, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> l<strong>at</strong>enten Sinnstruktur, die<br />

<strong>der</strong> Forscher als objektive Bedeutungskomponenten hinter manifesten Einzelhandlungen<br />

<strong>der</strong> beteiligten Interakteure erschließt: L<strong>at</strong>ente Sinnstrukturen verfügen über eine<br />

eigene Realität, „unabhängig davon, ob sie von den an <strong>der</strong> Interaktion beteiligten Subjekten<br />

realisiert werden o<strong>der</strong> nicht“ (Oevermann 1983, 98 sowie Oevermann u.a.<br />

1979, 382). 11 Hinter sozialen Interaktionen stehende l<strong>at</strong>ente Sinnstrukturen, welche<br />

versucht werden sollen, in <strong>der</strong> Analyse von Interaktionstexten zu erkennen. Dabei<br />

brauchen die Akteure den Sinn ihrer Handlungen nicht zu begreifen – <strong>der</strong> Akt <strong>der</strong> Entschlüsselung<br />

wird mitunter erst durch die Analyse eines Dritten möglich.<br />

9<br />

W<strong>at</strong>zlawick unterscheidet zwischen Inhalts- und Beziehungsebene.<br />

10<br />

Weitere Liter<strong>at</strong>ur zum Hintergrund <strong>der</strong> Forschungstätigkeit von Oevermann und seinen Mitarbeitern<br />

findet sich bspw. in Oevermann & Allert & Konau 1980; Oevermann 1989.<br />

11<br />

Im Laufe des Sozialis<strong>at</strong>ionsprozesses übernimmt ein Kind Sinninterpret<strong>at</strong>ionen seiner<br />

Bezugspersonen. Solche Sinninterpret<strong>at</strong>ionen basieren auf l<strong>at</strong>enten Sinnstrukturen, welche<br />

vom Kind nicht realisiert werden. Im Laufe seines Entwicklungsfortschritts wird das Kind<br />

befähigt, die hinter seinem Verhalten liegenden Sinnstrukturen (teils) zu erkennen.

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