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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Siegfried Lamnek<br />

hoda & Deutsch & Cook 1966, 77). Während das alltägliche Beobachten <strong>der</strong> Orientierung<br />

im Alltag dient, h<strong>at</strong> die wissenschaftliche Beobachtung dagegen „die Beschreibung<br />

bzw. Rekonstruktion sozialer Wirklichkeit vor dem Hintergrund einer leitenden<br />

Forschungsfrage“ (Atteslan<strong>der</strong> 1995, 87) zum Ziel.<br />

Unter einer wissenschaftlichen Beobachtung ist damit „das system<strong>at</strong>ische Erfassen,<br />

Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens“<br />

(Atteslan<strong>der</strong> 1995, 87; Hervorhebung im Original) zu verstehen.<br />

<strong>Die</strong>se Definition ließe sich ergänzen: <strong>Die</strong> Beobachtung ist „ein Verfahren, das auf die<br />

zielorientierte Erfassung sinnlich wahrnehmbarer T<strong>at</strong>bestände gerichtet ist, wobei<br />

<strong>der</strong> Beobachter seine Beobachtung zu system<strong>at</strong>isieren und die einzelnen Beobachtungsakte<br />

zu kontrollieren“ h<strong>at</strong>. (Grümer 1974, 26; Hervorhebung im Original).<br />

Während die <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> Befragung nach wie vor als Königsweg <strong>der</strong> empirischen<br />

Sozialforschung gilt, wird – soweit sie sich auf Verhaltensermittlung bezieht – oft<br />

übersehen, dass mit ihrer Hilfe nicht Verhalten, son<strong>der</strong>n ein Report über Verhalten erfasst<br />

wird. Letzteres muss keineswegs mit dem Verhalten identisch sein. Auf die<br />

Frage, ob sich Fußgänger bei Autofahrern bedanken, wenn diese das Überqueren <strong>der</strong><br />

Fahrbahn ermöglichen, bejahten dies 98 %; t<strong>at</strong>sächlich geschah dies – über Beobachtung<br />

ermittelt – nur in 18 % <strong>der</strong> Fälle (<strong>Die</strong>kmann 1997, 479). Insoweit lieferte die Beobachtung<br />

(nicht notwendigerweise immer) vali<strong>der</strong>e Verhaltensd<strong>at</strong>en, während sie bei<br />

Verhaltensdispositionen (Eigenschaften, Einstellungen, Wertungen etc.) gegenüber<br />

<strong>der</strong> Befragung im Nachteil ist (Friedrich & Hennig 1975, 499).<br />

Als prozesshaft-aktiver Vorgang stellt die Beobachtung hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an den<br />

Beobachter bzw. Forscher. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> spezifische Doppelcharakter <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Beobachtung, die „auf <strong>der</strong> einen Seite <strong>der</strong> Erfassung und Deutung sozialen<br />

Handelns dient, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Seite aber selbst soziales Handeln ist“ (Atteslan<strong>der</strong><br />

1995, 88; Hervorhebung im Original), gibt <strong>der</strong> <strong>Methode</strong> einerseits verschiedene<br />

Probleme auf und setzt gewisse Grenzen, bringt an<strong>der</strong>erseits jedoch auch Vorzüge mit<br />

sich (Atteslan<strong>der</strong> 1995, 88).<br />

2. Historische und system<strong>at</strong>ische Aspekte <strong>der</strong><br />

Beobachtung<br />

2.1 <strong>Die</strong> Geschichte <strong>der</strong> Beobachtung<br />

<strong>Die</strong> Beobachtung als sozialwissenschaftliche Forschungmethode h<strong>at</strong> eine rel<strong>at</strong>iv<br />

kurze Geschichte. Vorgänger <strong>der</strong> Beobachtung waren im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t die „Social<br />

Surveys“ – system<strong>at</strong>ische Erhebungen zu Lebenslagen und Haushaltsbudgets ärmerer<br />

Bevölkerungsschichten, durchgeführt von sta<strong>at</strong>lichen Fabrikinvestoren o<strong>der</strong> von sozialreformerischen<br />

Kräften. Ein Beispiel dafür ist etwa Friedrich Engels’ Studie „Zur<br />

Lage <strong>der</strong> arbeitenden Klasse in England“ (1845). Durch den Kolonialismus erfuhren<br />

die teilnehmende Beobachtung und ethnologische (kulturanthropologische) Feldstudien<br />

im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t verstärkte Aufmerksamkeit und wurden zunehmend wissenschaftlich(er)<br />

betrieben. Voll entfaltete sich die <strong>Methode</strong> <strong>der</strong> unstrukturierten Feldbeobachtung<br />

(in <strong>der</strong> Soziologie) aber erst durch die in den 20er Jahren des 20. Jahrhun-

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