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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Herbert Bickel<br />

schungskonzept, das eine möglichst tiefgreifende selbstreflexive Aufmerksamkeitsund<br />

Wahrnehmungs- und Beobachtungsroutine reklamiert, von beson<strong>der</strong>em Belang.<br />

1.1 Am Anfang steht Neugier<br />

Menschen begegnen ihrer Außenwelt in einer Weise, die zur Annahme einer primären<br />

und ziellos explor<strong>at</strong>iven Neugier führt. Es handelt sich dabei um ein assozi<strong>at</strong>ives,<br />

durch Zufall, Angebot und unbewusstes Begehren gelenktes und in psychoanalytischem<br />

Sinn bedingt gleichsch<strong>web</strong>end aufmerksames Interesse an Unbekanntem und<br />

Fremdem. Aus anthropologischer Perspektive ist primäre Neugier wohl mit <strong>der</strong> Vorstellung<br />

liiert, sich in gesicherter Position und ohne akuten Handlungsbedarf auf nicht<br />

bekannte sowie ungeahnte Bedrohlichkeiten vorzubereiten. Zum Überleben gehört, in<br />

neuen und unerwarteten Situ<strong>at</strong>ionen auf vorweggenommene Kenntnisse über strukturelle<br />

Wirkzusammenhänge und Beeinflussbarkeiten zurückgreifen und dadurch rasch<br />

und effizient reagieren zu können. So beruht wohl auch die geschichts- und kulturübergreifende<br />

Bedeutung des Abenteuers auf einer anthropologisch zu begründenden<br />

Lust, in einem frei gewählten Erlebnisraum mit Unerwartetem und Nichtgeahntem<br />

konfrontiert zu werden und Bedrohlichem auf Basis vorweggenommener Kompetenz<br />

in kre<strong>at</strong>iver Weise zu begegnen.<br />

Es wäre allerdings naiv zu behaupten, <strong>der</strong> Mensch würde sich wissend um präventive<br />

Erkenntnis bemühen, um sich in einer potentiellen Stunde Null darauf stützen zu können.<br />

Es genügt, auf das paradoxe Phänomen hinzuweisen, dass es lustvoll erscheint,<br />

sich zum Teil ohne jeden Kompromiss und unter erheblichem Risiko in Situ<strong>at</strong>ionen zu<br />

begeben, in denen Neugier zufriedenzustellen ist. <strong>Die</strong> T<strong>at</strong>sache, dass im christlichen<br />

Schöpfungsmythos die Geburt des Menschen bzw. seine Vertreibung aus dem Paradies<br />

als Geschichte einer verbotenen Neugier zu lesen ist, die über die Metapher verlocken<strong>der</strong><br />

Weiblichkeit ihre erotische Komponente erhält, mag dabei als anthropologischer<br />

Beleg dienen.<br />

Insgesamt steht Neugier im <strong>Die</strong>nste einer umfassenden Lebens- und Überlebenskompetenz:<br />

als problemzentrierte Kompetenz, unvorhergesehenen Gefahren zu begegnen<br />

und kre<strong>at</strong>ive Lösungen zu finden; als genussorientierte Kompetenz, sich Lustvolles zu<br />

verschaffen; als biographische Kompetenz, sich über neugiergeleitete Erkundung von<br />

Möglichkeitsräumen autonome Biographie zu gewähren.<br />

1.2 Am Anfang steht Faszin<strong>at</strong>ion<br />

Faszin<strong>at</strong>ion als semantisches Pendant zur Attraktion weist darauf hin, dass ein<br />

Mensch, ein Gegenstand o<strong>der</strong> eine Gegebenheit die Kraft besitzt, auf sich aufmerksam<br />

zu machen, indem sie als Ort triebbedingter, wunschorientierter und durchaus<br />

auch angstmotivierter Genüsslichkeit Lustvolles verspricht. Ohne auf unterschiedliche<br />

Nuancen von Faszin<strong>at</strong>ion und Attraktion Rücksicht zu nehmen, kann von Faszin<strong>at</strong>ion<br />

<strong>der</strong> Mutter aus <strong>der</strong> Perspektive des Säuglings, von Faszin<strong>at</strong>ion des V<strong>at</strong>ers aus<br />

<strong>der</strong> Perspektive des Heranwachsenden, von Faszin<strong>at</strong>ion gegenkultureller Milieus aus<br />

<strong>der</strong> Perspektive des Jugendlichen, von Faszin<strong>at</strong>ion des Verbotenen aus <strong>der</strong> Perspektive<br />

des Adoleszierenden sowie von Faszin<strong>at</strong>ion im Kontext des Erotischen und Sexuellen<br />

gesprochen werden.

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