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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Ralf Bohnsack & Burkhard Schäffer<br />

2.3 Zentrale Linien <strong>der</strong> methodologischen Entwicklung des Verfahrens<br />

<strong>Die</strong> in Kap. 2 dargestellten Entwicklungslinien lassen sich system<strong>at</strong>isch nun unter verschiedenen<br />

Aspekten fassen. Auf <strong>der</strong> Phänomenebene sind zunächst drei Hauptakzentuierungen<br />

des Verfahrens erkennbar:<br />

Erstens die große Gruppe <strong>der</strong>jenigen, die das Gruppendiskussionsverfahren aus<br />

zeitlichen und ökonomischen Gründen einsetzen.<br />

Eine zweite große Gruppe (exemplarisch Merton 1987) benutzt das Verfahren<br />

überwiegend nur im explor<strong>at</strong>iven Sinne, um z.B. Hypothesen zur weiteren (oft<br />

quantit<strong>at</strong>iven) Überprüfung zu bilden. Auch hier werden zumeist Gruppen künstlich<br />

– etwa nach soziodemographischen Maßstäben – zusammengesetzt. In beiden<br />

Fällen wird dem Verfahren lediglich eine instrumentelle (Marktforschung) bzw.<br />

eine explor<strong>at</strong>ive Funktion (Umfrageforschung) zugewiesen.<br />

<strong>Die</strong>se beiden Verwendungsweisen sind scharf abzugrenzen von einem (von uns<br />

favorisierten) dritten Weg, <strong>der</strong> sog. Realgruppen in den Blick nimmt bzw. diejenigen<br />

in eine Diskussionsrunde einbezieht, die sich durch (zunächst nur vermutete)<br />

Zugehörigkeiten zu Großgruppen, d.h. durch strukturidentische sozialis<strong>at</strong>ionsgeschichtliche<br />

Hintergründe (z.B. ähnliche Berufszugehörigkeit) auszeichnen. <strong>Die</strong><br />

bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> selbstläufigen <strong>Diskurs</strong>e dieser Gruppen entstehenden methodischen<br />

und methodologischen Probleme werden – im Gegens<strong>at</strong>z zu den beiden<br />

erstgenannten Ansätzen – hier system<strong>at</strong>isch reflektiert.<br />

<strong>Die</strong> Ansätze können auch als unterschiedliche Modelle gefasst werden, denen in Bezug<br />

auf die Ausrichtung des Erkenntnisinteresses paradigm<strong>at</strong>ischer Charakter zukommt<br />

(vgl. Bohnsack 1997, 493ff):<br />

<strong>Die</strong> frühen Ansätze aus den 50er Jahren, aber auch die überwiegende Zahl <strong>der</strong> Focus-Group-Perspektiven<br />

sind am „Modell des Individuums in öffentlicher Auseinan<strong>der</strong>setzung“<br />

orientiert. <strong>Die</strong> Redebeiträge <strong>der</strong> Einzelnen werden hier isoliert voneinan<strong>der</strong><br />

untersucht. Mangolds Modell <strong>der</strong> „informellen Gruppenmeinungen“<br />

konzeptualisierte zum ersten Mal die Gruppe als Erhebungs- und Auswertungseinheit.<br />

In den 70er Jahren dominiert das „Modell des interpret<strong>at</strong>iven Aushandelns<br />

von Bedeutungen“ in den Gruppen. Das von uns vertretene „Modell kollektiver<br />

Orientierungsmuster“ kann als Weiterentwicklung und Integr<strong>at</strong>ion <strong>der</strong> bisherigen<br />

Ansätze verstanden werden.<br />

Zum oben genannten „dritten Weg“, also demjenigen einer system<strong>at</strong>ischen Reflektion<br />

methodischer und methodologischer Probleme, sind die letzten drei Modelle<br />

zu zählen. <strong>Die</strong> methodischen und methodologischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

innerhalb des „dritten Weges“ können u.E. entlang <strong>der</strong> Gegens<strong>at</strong>zpaare „Prozess<br />

versus Struktur“ und „Emergenz versus Repräsentanz“ beschrieben werden (vgl.<br />

Loos/Schäffer 2001):<br />

Eine sich bis in die 80er Jahre durchziehende Kontroverse ist von <strong>der</strong> Frage getragen,<br />

ob man bei <strong>der</strong> Analyse von Gruppendiskussionen nur auf <strong>der</strong> Ebene konkreter<br />

Gruppen selbst valide Ergebnisse erzielen kann o<strong>der</strong> ob sich auch Strukturen<br />

herausarbeiten lassen, die auf Phänomene von „Großgruppen“ wie etwa Milieu,<br />

Geschlecht o<strong>der</strong> Gener<strong>at</strong>ion verweisen. Im ersten Fall sind die erzielten Ergebnisse<br />

nicht nur allein in bezug auf die konkrete Gruppe aussagefähig, son<strong>der</strong>n sie

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