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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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336<br />

Ralf Bohnsack & Burkhard Schäffer<br />

Blick) konflikthaften Verlauf nimmt (die Teilnehmenden wi<strong>der</strong>sprechen und korrigieren<br />

einan<strong>der</strong>, fallen einan<strong>der</strong> ins Wort und verletzen somit die Regeln des Sprecherwechsels,<br />

des „turn-taking“; s. Sacks et al. 1978), so muss dies noch nicht bedeuten,<br />

dass hier keine kollektiv geteilten Orientierungen zum Ausdruck gebracht würden. Ob<br />

dies <strong>der</strong> Fall ist und es sich somit um eine (wirkliche) „Opposition“ handelt, lässt sich<br />

erst auf dem Wege einer dokumentarischen (reflektierenden) Interpret<strong>at</strong>ion <strong>der</strong> gesamten<br />

<strong>Diskurs</strong>passage entscheiden. Da in unserem Verständnis eine Gruppe durch<br />

das Vorhandensein kollektiv geteilter Orientierungen charakterisiert ist, sprechen wir<br />

in einem solchen Fall auch nicht mehr von einer „Gruppe”. Existieren in Gruppen <strong>der</strong>artige<br />

nicht überbrückbare „Rahmeninkongruenzen“, dann finden sich häufig auch sogenannte<br />

rituelle Konklusionen. Wir haben es dann nicht mit konsensfähigen Zusammenfassungen<br />

zu tun; vielmehr wird das Thema, an dem die Rahmeninkongruenzen<br />

aufzubrechen drohen, in „unsachlicher“ Weise (z.B. durch einen Witz) eliminiert.<br />

Idealtypisch lassen sich drei Formen <strong>der</strong> <strong>Diskurs</strong>organis<strong>at</strong>ion, also drei Modi <strong>der</strong> interaktiven<br />

Bezugnahme, unterscheiden, die als solche Aufschlüsse über grundlegende<br />

Formen <strong>der</strong> Sozialität bzw. Kollektivität innerhalb <strong>der</strong> Gruppe geben6 :Einoppositioneller<br />

<strong>Diskurs</strong>modus liegt dann vor, wenn Rahmeninkongruenzen auftreten, also Unterschiede<br />

<strong>der</strong> Orientierungsrahmen, die von den Teilnehmenden nicht in einen übergreifenden<br />

kollektiv geteilten Rahmen überführt werden können. Beim konkurrierenden<br />

bzw. antithetischen <strong>Diskurs</strong>modus liegt im Gegens<strong>at</strong>z zum oppositionellen keine<br />

Rahmeninkongruenz vor. Vielmehr konkurrieren bei diesem Typus die Teilnehmenden<br />

in dem Bemühen, den gemeinsam geteilten Rahmen am besten ausdrücken und<br />

ggf. eine von allen akzeptierte Konklusion formulieren zu können.<br />

Einen <strong>der</strong> Gegenhorizonte des konkurrierenden <strong>Diskurs</strong>modus bildet <strong>der</strong> parallelisierende.<br />

Eine explizite Bezugnahme <strong>der</strong> Redebeiträge aufeinan<strong>der</strong> ist hier oft kaum erkennbar,<br />

vielmehr werden Erzählungen und Beschreibungen – auf den ersten Blick –<br />

unvermittelt aneinan<strong>der</strong> gereiht. Dem milieufremden Beobachter ist <strong>der</strong> Orientierungsgehalt<br />

und möglicherweise sogar das Thema erst nach einer intensiven reflektierenden<br />

Interpret<strong>at</strong>ion zugänglich. 7<br />

4.3 Typenbildung<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Typenbildung wird in Übereinstimmung mit dem „idealtypischen Verstehen“<br />

bei Max Weber (1976, 4), welches für ihn ein „erklärendes Verstehen“ ist, sozusagen<br />

nach Erklärungen, genauer: nach <strong>der</strong> Genese jener kollektiven Orientierungsmuster<br />

gesucht, die im Zuge <strong>der</strong> reflektierenden Interpret<strong>at</strong>ion bereits herausgearbeitet<br />

worden sind. Vor allem geht es darum, die unterschiedlichen Faktoren o<strong>der</strong> Dimensionen<br />

dieser Genese voneinan<strong>der</strong> unterscheiden zu können, also u. a. die Dimensionen<br />

<strong>der</strong> Bildung, des Geschlechts, des Alters (<strong>der</strong> lebenszyklischen Phase) und des<br />

Milieus. Typenbildung vollzieht sich auf dem Wege einer komplexen kompar<strong>at</strong>iven<br />

Analyse: So werden auf <strong>der</strong> Grundlage von Gemeinsamkeiten <strong>der</strong> Fälle (z.B. die bil-<br />

6<br />

Siehe dazu das Dissert<strong>at</strong>ionsprojekt von Aglaja Przyborski (2000).<br />

7<br />

Forschungsbeispiele für reflektierende Interpret<strong>at</strong>ionen, in denen auch die <strong>Diskurs</strong>organis<strong>at</strong>ion<br />

rekonstruiert wird, finden sich in: Bohnsack 1989, Bohnsack et al. 1995, Schäffer 1996,<br />

Nohl 1996, Loos 1998 u. 1999, Nentwig-Gesemann 1999.

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