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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Hubert Locher<br />

3. Historische und system<strong>at</strong>ische Aspekte: Zur <strong>Methode</strong>ngeschichte<br />

<strong>Die</strong> Rede von einer „Geschichte <strong>der</strong> Kunst” als wissenschaftlichem Gegenstand ist<br />

erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhun<strong>der</strong>t gebräuchlich und setzt jenen Begriff<br />

„Kunst” voraus – „Art with a capital A” (Kristeller 1951/1952), <strong>der</strong> erst im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Gestalt annimmt. Eine wissenschaftliche Disziplin „Kunstgeschichte” entsteht<br />

erst im Laufe des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit <strong>der</strong> Institutionalisierung an einer Reihe<br />

von Universitäten vorwiegend im deutschsprachigen Bereich. <strong>Die</strong> ältere Praxis des<br />

Schreibens über Malerei, Plastik und Architektur in Form von theoretischen Trakt<strong>at</strong>en,<br />

Kunsttopographie, Künstlergeschichte o<strong>der</strong> in poetischen Formen wie z.B. <strong>der</strong><br />

Ekphrasis wird demgegenüber nicht als „Kunstgeschichte”, son<strong>der</strong>n generell als<br />

„Kunstliter<strong>at</strong>ur” (Schlosser 1924/1964) bezeichnet. Ein großer Teil dieser Kunstliter<strong>at</strong>ur<br />

h<strong>at</strong> kein historisches Erkenntnisinteresse, son<strong>der</strong>n versteht sich als Kunstlehre.<br />

Eine Kunstlehre zu geben, ein „Lehrgebäude <strong>der</strong> Kunst”, beansprucht auch noch Johann<br />

Joachim Winckelmann, <strong>der</strong> in mehrfacher Hinsicht als <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Kunstgeschichte bezeichnet werden kann, insofern er in seiner Geschichte <strong>der</strong><br />

Kunst des Altertums (Winckelmann 1764) das Prinzip <strong>der</strong> formalen Stilgeschichte –<br />

also die Ordnung <strong>der</strong> überlieferten Denkmäler in chronologischer Reihe nach Maßgabe<br />

ihres Stils – erstmals konsequent vorführt. Auf <strong>der</strong> Grundlage dieses Paradigmas<br />

<strong>der</strong> formalen Stilgeschichte entwickelt und entfaltet sich die Kunstgeschichte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts variantenreich.<br />

Seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts begann sich ein neues Paradigma herauszubilden,<br />

das die Kunstgeschichte als Stilgeschichte zunächst nur ergänzen wollte,<br />

schließlich aber weitgehend verdrängte. <strong>Die</strong>s ist die vor kulturgeschichtlichem Hintergrund<br />

interpretierende Kunstgeschichte, die nicht so sehr den Verlauf einer formalen<br />

o<strong>der</strong> inhaltlichen Geschichte <strong>der</strong> Kunst offenlegen will, als vielmehr eine historische<br />

Deutung <strong>der</strong> bildnerischen Erzeugnisse in ihrem Kontext versucht und dabei<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger stark auf die Deutung von einzelnen Objekten fokussiert. <strong>Die</strong>ses<br />

neue Paradigma wurde in Ansätzen begründet von Aby Warburg, <strong>der</strong> sich seinerseits<br />

auf Jacob Burckhardt beruft (hierzu Locher 1999, Locher 2000). Als <strong>Methode</strong> formalisiert<br />

wurde <strong>der</strong> Ans<strong>at</strong>z von Erwin Panofsky (s. unten). <strong>Die</strong> Kritik von Panofskys ikonologisch-ikonographischem<br />

Interpret<strong>at</strong>ionsmodell war in den vergangenen drei Jahrzehnten<br />

immer wie<strong>der</strong> Ausgangspunkt für die Diskussion um die theoretischen<br />

Grundlagen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kunstgeschichte.<br />

Wesentlich am neuen Paradigma ist, dass von Beginn an eine Definition des Begriffes<br />

„Kunst” vermieden werden konnte. Jedes Objekt visueller Gestaltung ist potenziell<br />

Gegenstand kunsthistorischer Interpret<strong>at</strong>ion. Da dieser Ans<strong>at</strong>z immer die Frage nach<br />

dem Kontext einschließt, konnte er auch Ausgangspunkt für eine Erweiterung des Gegenstandsfeldes<br />

auf z.B. außereuropäische Kunst, Volkskunst, Alltagsgestaltung etc.<br />

bieten, ein Weg, <strong>der</strong> schon von Aby Warburg angebahnt worden ist (vgl. dazu Gombrich<br />

1970/1984).<br />

Bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg registrierte man in <strong>der</strong> Kunstgeschichte<br />

nur vereinzelt, dass sich mit <strong>der</strong> ikonographisch-ikonologischen <strong>Methode</strong> ein<br />

Ans<strong>at</strong>z entwickelt h<strong>at</strong>te, <strong>der</strong> das Paradigma <strong>der</strong> Stilgeschichte grundsätzlich in Frage

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