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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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<strong>Methode</strong>n theoretischer Forschung<br />

hauptungen besteht bezüglich Verifik<strong>at</strong>ion und Falsifik<strong>at</strong>ion also ein spiegelbildliches<br />

Verhältnis. Für viele wissenschaftliche Theorien ist aber ohnedies we<strong>der</strong> eine endgültige<br />

Verifik<strong>at</strong>ion noch eine endgültige Falsifik<strong>at</strong>ion in Sicht. „Empirische Prüfbarkeit“<br />

heißt dann nur, dass empirische Belege angebbar sein müssen, die mit <strong>der</strong> Theorie<br />

gut vereinbar wären, und solche, die mit ihr schlecht vereinbar wären (manche<br />

Wissenschaftstheoretiker sprechen diesbezüglich von empirischer „Bestätigbarkeit“<br />

(confirm<strong>at</strong>ion) bzw. „Schwächbarkeit“ (disconfirm<strong>at</strong>ion) einer Theorie; an<strong>der</strong>e sind<br />

vorsichtiger, vermeiden die Rede von „Bestätigung“ und sagen nur, eine Theorie habe<br />

sich bislang an <strong>der</strong> Erfahrung „bewährt“). Es muss also gesichert sein, dass die Theorie<br />

nicht mit beliebigen Fakten gleich gut vereinbar ist, insbeson<strong>der</strong>e muss angebbar<br />

sein, welche Fakten eine Theorie ins Wanken bringen würden.<br />

Wie gesagt, dies gilt im Beson<strong>der</strong>en für die N<strong>at</strong>ur- und Sozialwissenschaften. In an<strong>der</strong>en<br />

Bereichen wird <strong>der</strong> Erfahrungsbezug von Theorien nicht durch empirische Prüfbarkeit,<br />

son<strong>der</strong>n eher durch eine Art Integr<strong>at</strong>ionsleistung bezüglich <strong>der</strong> Erfahrung<br />

hergestellt: Sie helfen uns dabei, uns auf schwierige und/o<strong>der</strong> unübersichtliche Erfahrungsbereiche<br />

„einen Reim zu machen“, d.h. zu einem besseren Verständnis davon zu<br />

gelangen. Eine wichtige Leistung solcher integr<strong>at</strong>iver Theorien ist es dabei, überhaupt<br />

einmal ein begriffliches Instrumentarium zur Erschließung dieser Erfahrungsbereiche<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Ein Beispiel aus <strong>der</strong> Philosophie für eine solche Integr<strong>at</strong>ionsleistung: Von Aristoteles<br />

stammt die Theorie <strong>der</strong> Unterscheidung von Substanz und Akzidentien. Akzidentien<br />

sind, vereinfacht gesagt, die verän<strong>der</strong>lichen Eigenschaften <strong>der</strong> Dinge (etwa die Blässe<br />

o<strong>der</strong> Sonnenbräune, die Unbildung o<strong>der</strong> Bildung, die örtliche Lage etc.), während<br />

Substanzen die unverän<strong>der</strong>lichen „Träger“ dieser Eigenschaften sind, etwa dieser<br />

Mensch o<strong>der</strong> dieses Pferd. Wer sonnengebräunt wird, Spanisch lernt o<strong>der</strong> aus dem<br />

Haus geht, <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t seine Eigenschaften, bleibt substantiell aber <strong>der</strong>selbe, <strong>der</strong> er<br />

ist. <strong>Die</strong>se Theorie ist nicht empirisch überprüfbar, und sie taugt auch nicht für irgendwelche<br />

Prognosen: Man kann damit nichts darüber vorhersagen, wie sich ein Mensch<br />

o<strong>der</strong> ein Pferd entwickeln wird (Notabene: Dass ein Mensch in <strong>der</strong> Sonne braun wird,<br />

folgt nicht etwa aus <strong>der</strong> Theorie von Substanz und Akzidens, son<strong>der</strong>n aus dem biologischen<br />

Wissen über Menschen!). Dennoch dient diese Theorie dazu, einen schwierigen<br />

Erfahrungsbereich in den Griff zu bekommen: das Phänomen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Daß mit Verän<strong>der</strong>ungen nämlich ein denkerisches Problem verbunden ist, fiel schon<br />

den ersten griechischen Philosophen, den sogenannten Vorsokr<strong>at</strong>ikern, auf: Verän<strong>der</strong>ung,<br />

so könnte man ja sagen, würde doch bedeuten, dass etwas, das da war, plötzlich<br />

nicht mehr da ist (etwa die Blässe) und etwas, das nicht da war, plötzlich da ist (etwa<br />

die Bräune). Das geht aber bei näherer Betrachtung nicht. Also, so schlossen manche,<br />

gebe es in Wirklichkeit gar keine Verän<strong>der</strong>ung, sämtliche „Verän<strong>der</strong>ung“ sei nur<br />

Schein. An<strong>der</strong>e nahmen die offensichtlichen dauernden Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

als ein Grundfaktum, das sich nicht ernsthaft in Zweifel ziehen lässt. Aber<br />

was sich verän<strong>der</strong>t, so überlegten sie weiter, das bleibt nicht dasselbe – also gibt es in<br />

Wirklichkeit gar keine sich durch die Zeit durchhaltenden, dieselben bleibenden<br />

Dinge. Beide Schlussfolgerungen sind aber intuitiv höchst unplausibel: Das Faktum<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung ist nur allzu offensichtlich, aber die Existenz von dieselben bleibenden<br />

Dingen eben auch (je<strong>der</strong> geht normalerweise davon aus, dass er selbst, seine Mit-<br />

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