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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Andrea Lang & Franz Marksteiner & Vrääth Öhner<br />

unterliegen leicht dem Prozess <strong>der</strong> Autom<strong>at</strong>isierung, und <strong>der</strong> Künstler kann sie in diesem Fall<br />

durch neue, stärker verfremdend wirkende Verfahren ersetzen. <strong>Die</strong> Funktionen allerdings tendieren<br />

dazu, stabiler zu sein, da sie mit jedem Wechsel <strong>der</strong> Verfahren erneuert werden, und historisch<br />

gesehen haben sie länger Bestand als das einzelne Verfahren. Man kann verschiedene<br />

Verfahren, die dieselbe Funktion erfüllen, als funktionale Äquivalente bezeichnen.” (Thompson<br />

1995, 36)<br />

Wir können also bei jedem Verfahren, das wir als solches in einem Film ausmachen,<br />

nicht nur untersuchen, wie dieses Verfahren beschaffen ist, son<strong>der</strong>n müssen dies mit<br />

<strong>der</strong> Frage verbinden: Was bewirkt dieses Verfahren dort, wo es pl<strong>at</strong>ziert ist, zu welchem<br />

Zweck wird es eingesetzt? <strong>Die</strong>se Frage können wir auf das System des einzelnen<br />

Films beziehen, aber auch auf an<strong>der</strong>e Filme bzw. Kunstwerke.<br />

Ein an<strong>der</strong>er Weg, die Funktion eines Verfahrens zu erkennen, ist, die Frage zu stellen,<br />

welche an<strong>der</strong>en Elemente seine Existenz erfor<strong>der</strong>lich machen. So haben Figuren in einem<br />

Film oft einen Gegenpart, <strong>der</strong> durch seine Differenz die Eigenschaften <strong>der</strong> Figur<br />

erst deutlich hervortreten lässt. Nicht immer wird dies so deutlich wie in Howard<br />

Hawks Gentlemen Prefer Blondes, wo <strong>der</strong> Unterschied zwischen den beiden weiblichen<br />

Hauptfiguren, dargestellt von den Schauspielerinnen Jane Russell und Marilyn<br />

Monroe, schon durch ihr Äußeres (Kleidung, Haarfarbe etc.) überdeutlich signalisiert<br />

wird.<br />

Ein weiteres Beispiel wäre etwa die „Quirligkeit” und Lebendigkeit <strong>der</strong> jungen Kaiserin<br />

Sissi (Romy Schnei<strong>der</strong>) im gleichnamigen österreichischen Film, die durch die<br />

steife Contenance des Kaisers (Karlheinz Böhm) noch stärker herausgestrichen wird.<br />

Im Verlauf <strong>der</strong> Sissi-Trilogie wird dieser Unterschied immer deutlicher betont.<br />

Darüber hinaus kann die Funktion eines Verfahrens ermittelt werden, indem man die<br />

Frage stellt, wodurch sein Eins<strong>at</strong>z ebendort, wo es pl<strong>at</strong>ziert ist, motiviert ist. Motiv<strong>at</strong>ion<br />

darf dabei nicht damit verwechselt werden, welche Gründe für das Handeln von<br />

Charakteren angeführt werden. <strong>Die</strong>s kann eine <strong>der</strong> Funktionen von Verfahren sein,<br />

eine Reduktion darauf würde aber zu kurz greifen. Kostüme, Kamerabewegungen, die<br />

Verteilung von Licht und Sch<strong>at</strong>ten innerhalb des Bildes, all das muss motiviert sein,<br />

um vom Zuseher akzeptiert zu werden.<br />

Britta Hartmann und Hans J. Wulff benennen in ihrer konzisen Bestandsaufnahme des<br />

Wisconsin-Projektes, <strong>der</strong> eine äußerst aufschlussreiche Bibliografie angeschlossen ist,<br />

das „Dreieck”, in dem sich das Gesamtforschungsprojekt bewegt: neoformalistische<br />

Filmanalyse, eine kognitiv orientierte Theorie des Films und eine historische Poetik<br />

des Films, wobei sie konst<strong>at</strong>ieren, dass letztere, also die historische Poetik, am weitesten<br />

ausgeführt sei (vgl. Hartmann, Wulff 1995, 5-22). Als umfassendste und folgenreichste<br />

Publik<strong>at</strong>ion des Wisconsin-Projektes gilt nach wie vor die erstmals 1985 erschienene<br />

Untersuchung „The Classical Hollywood Cinema” von David Bordwell,<br />

Kristin Thompson und Janet Staiger.<br />

„Stil ist dabei gefasst als system<strong>at</strong>ischer Gebrauch kinem<strong>at</strong>ografischer Mittel (...), <strong>der</strong> im spezifischen<br />

Produktionszusammenhang Hollywoods standardisiert und zum Regelwerk erhoben<br />

wird, sodass eine strikt arbeitsteilige Glie<strong>der</strong>ung und damit Kosteneffizienz <strong>der</strong> Produktion<br />

möglich wird. Das Hollywood System kann als ein solches ’set’ von Regeln und Normen<br />

beschrieben werden (...), das im Hintergrund <strong>der</strong> Produktionsentscheidungen steht und zugleich<br />

das implizite filmisch-ästhetische Wissen <strong>der</strong> Zuschauer ausmacht.” (Hartmann, Wulff 1995, 8)

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