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Die Methode der Kritischen Diskurs - hug-web.at

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Günter Ropohl<br />

<strong>der</strong> möglichen Folgen empfiehlt sich daher eigentlich eine Art von Ausleseverfahren,<br />

das zunächst alles und jedes fürmöglich hält und bestimmte Folgenbereiche erst dann<br />

aus <strong>der</strong> Betrachtung ausscheidet, wenn sich ihre Unbedeutsamkeit zeigen lässt. Das ist<br />

eine überaus strenge Anfor<strong>der</strong>ung, die sich praktisch wohl nicht immer einlösen lässt;<br />

aber dass sie prinzipiell aufrechterhalten werden muss, zeigt die Erfahrung mit jenem<br />

„harmlosen“ Treibgas für Sprühflaschen, das sich dann als Schädling <strong>der</strong> irdischen<br />

Ozonhülle erweisen sollte.<br />

H<strong>at</strong> man die relevanten Folgen bestimmt, sind diese im Einzelnen zu analysieren und<br />

zu prognostizieren. Dabei postuliert die Technikbewertung, auch die Folgen <strong>der</strong> Folgen,<br />

also die Sekundär- und Tertiäreffekte, in Betracht zu ziehen. Wenn die Fluorchlorkohlenwasserstoffe<br />

das Ozonloch vergrößern, strahlt die Sonne mit größerer Intensität<br />

auf die Erde; wenn die intensiveren Sonnenstrahlen die Bildung von Hautkrebs<br />

för<strong>der</strong>n, werden die Menschen aus Rücksicht auf ihre Gesundheit das bislang so<br />

beliebte Sonnenbaden einschränken; wenn Sonnenbä<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Mode kommen, entfällt<br />

ein wichtiger Grund, Urlaubsreisen an südliche Strände zu unternehmen; wenn<br />

<strong>der</strong> Tourismus in den Badeorten spürbar zurückgeht, kommt es zu Arbeitslosigkeit<br />

und Wirtschaftskrisen in den heutigen Urlaubsregionen und so weiter und so weiter.<br />

All diese Folgen sind nicht nur ihrer Art nach, son<strong>der</strong>n soweit wie möglich auch quantit<strong>at</strong>iv<br />

zu ermitteln, da es häufig kritische Grenzwerte gibt, die, erst wenn sie erreicht<br />

werden, eine Folge wirklich problem<strong>at</strong>isch machen.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitsschritte, die ich bisher skizziert habe, lassen sich aus einer wissenschaftlichen<br />

Beobachterperspektive rel<strong>at</strong>iv neutral ausführen; all jene Teilaufgaben befassen<br />

sich ja grundsätzlich allein mit <strong>der</strong> Frage, was sein kann. Schließlich aber münden<br />

diese deskriptiven Untersuchungen in die norm<strong>at</strong>ive Frage, was sein soll. N<strong>at</strong>ürlich<br />

darf auch die Folgen-Bewertung nicht von den priv<strong>at</strong>en Vorlieben o<strong>der</strong> Abneigungen<br />

einzelner Personen bestimmt werden, son<strong>der</strong>n muss gesellschaftlich und politisch legitimierte,<br />

möglichst universell gültige Bewertungskriterien zugrunde legen und deutlich<br />

ausweisen. Folgen-Bewertung nimmt dann die Form des norm<strong>at</strong>iven Syllogismus,<br />

<strong>der</strong> praktischen Folgerung, an. Wenn man den Schutz des Erdklimas und <strong>der</strong><br />

menschlichen Gesundheit für wichtigerhältals die Wirtschaftlichkeit bestimmter<br />

Treibgase und Kältemittel sowie die Konkurrenzfähigkeit ihrer Produzenten, dann<br />

wird sich die Technikbewertung gegen diese Substanzen aussprechen; gewichtet man<br />

jene Kriterien jedoch umgekehrt und befürchtet man eine ernste Krise <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie, würde die Technikbewertung allenfalls die Empfehlung geben, langfristig<br />

nach wirtschaftsverträglichen Ers<strong>at</strong>zstoffen Ausschau zu halten. T<strong>at</strong>sächlich scheint<br />

in diesem Beispiel zwar nicht eine einzelne Technikbewertung, aber doch die anhaltende<br />

öffentliche Diskussion namhafte Hersteller jedenfalls in Deutschland bewogen<br />

zu haben, die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen sehr schnell einzustellen.<br />

Normalerweise ist mit <strong>der</strong> Bewertung noch nicht ausgemacht, auf welche Weise nun<br />

eine erwünschte Technik geför<strong>der</strong>t und eine unerwünschte verhin<strong>der</strong>t werden kann.<br />

<strong>Die</strong> Analyse <strong>der</strong> Steuerungsmöglichkeiten – wie es im Schema zurückhaltend formuliert<br />

ist – betrifft letztlich das gesamte Arsenal gesellschafts- und wirtschaftspolitischer<br />

Gestaltungsmöglichkeiten und reicht von strikten sta<strong>at</strong>lichen Direktiven bis zu<br />

unverbindlichen Appellen an die Einsichtsfähigkeit von Korpor<strong>at</strong>ionen und Bürgern.

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