Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

V. Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der NFS in Ungarn /
Möglichkeiten der Gestaltung der NFS in Ungarn
katholischen Kirche – die nach der Intention von Gaudium et Spes 504 darin besteht, dem
ganzen Menschen, d.h. mit Leib und Seele, zu helfen oder diesen eventuell zu retten –
eine sehr wichtige.
Cockerham ist der Meinung, dass die Gesundheitsentwicklung so sehr die eigenständige
Methode der individualisierten Gesellschaften sei, dass in einer Welt, in der es keine
echte Wahl der Änderung der Lebensführung gibt – wie in den ehemaligen
sozialistischen Staaten – das bewusste Achten auf die Gesundheit nicht eingeführt
werden kann, da es keine Tradition hat. 505 Gerade deshalb gab es weder effizient
organisierte Massenkommunikationskampagnen noch einen gesetzlichen Hintergrund
oder aktive Beratung für dieses Themenfeld. 506
Im sozialistischen Ungarn fehlte die institutionelle Betonung der individuellen
Verantwortung. Der Mangel an Eigenbestimmung und somit auch der Möglichkeit der
Kontrolle über Leben und Gesundheit löschte in den Menschen jede Art von Motivation
aus. Man war gewohnt, dass Staatsorgane sich um alles kümmerten, und etwas Anderes
konnte man ja auch gar nicht machen. Die Gesundheit als Wert wurde devalviert, aber
auch Humanität und Eigeninitiative fehlten als Werte aus Sicht des kollektiven
Bewusstseins. 507 Kirchen konnten in dieser Situation bis zur Wende im Jahre 1990 nur
begrenzt und unter staatlicher Kontrolle Diakonietätigkeiten durchführen. Während in
den westlichen Demokratien die Gefahr eher vom der Behenung auf die
Eigenverantwortung ausging, die sehr oft den Start gemeinschaftlicher Strategien
verhinderte, bedeutete in den sozialistischen Staaten die Konzentration auf die zentrale
Macht und der völlige Kontrollverlust des Individuums eine Falle, in der es keine Rolle
gespielt hätte, wenn die Gesundheitspolitik ein gutes Ziel gesetzt hätte. Die strukturelle
Situation hätte die Umsetzung nicht möglich gemacht. 508 Im Sinne der
Aufrechterhaltung der Kollektivität kamen so aber weder eine Gesellschafts- noch eine
Sozialpolitik zustande. Die Entwicklung des Gesundheitswesens blieb bei der Erhöhung
504
Vgl. Gaudium et Spes 1, 14 in: http://www.katolikus.hu/zsinat/gs.html [abgerufen am 08.03.2011].
505
Vgl. COCKERHAM, Health and Social Change in Russia and Eastern Europe.
506
Vgl. WHITE / BOJÁN, Hungary. A New Public Health, 341, 43.44.
507
Vgl. CSÁSZI, Interpreting Inequalities in the Hungarian Health System, 275-284.
508
Nach dem Ende des Kommunismus glaubte die Kirche, dass die Leute von sich aus Kirchen aufsuchen
würden und man nichts ändern müsste. Vgl.: ZUHLEHNER, Isten a kommunizmus után, in: [abgerufen am
05-12-2011].
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