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Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

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VI. Die Rotschlammkatastrophe von Devecser aus Sicht <strong>der</strong> Notfallseelsorge<br />

<strong>der</strong> Bo<strong>den</strong> später umgegraben wurde. Wir haben zwei Frauen getroffen, <strong>der</strong>en Mutter<br />

wegen <strong>der</strong> Schlammlawine im Krankenhaus lag, sie aber nicht in ihr Haus konnten, weil<br />

ihre Wohnsitzkarte auf eine an<strong>der</strong>e Adresse lautete. Von 6.00 bis 10 Uhr bemühten sie<br />

sich vergeblich, ins Haus zu kommen. Ich habe sie gefragt, ob sie Lust hätten, zur<br />

Pfarre zu kommen, dort wür<strong>den</strong> sie Ausrüstung zum Saubermachen <strong>und</strong> Hilfe zum<br />

Nachhausekommen bekommen. Sie waren sehr dankbar. Donnerstagabend war geklärt,<br />

dass alle notlei<strong>den</strong><strong>den</strong> Familien 100.000 HUF (360 €) bekommen wür<strong>den</strong>. Der<br />

Zivilschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bürgermeister in Kolontár waren bemüht, diese Summen zu<br />

verteilen. Ich war unter ihnen <strong>und</strong> hörte ihnen zu, wie sie sich berieten <strong>und</strong> fragten, ob<br />

sie dies gut machten <strong>und</strong> sie so gerecht vorgehen wür<strong>den</strong>.<br />

Donnerstag in <strong>der</strong> Früh hatten nicht alle eine Schutzausrüstung <strong>und</strong> die Ortsansässigen<br />

haben die Warnung nicht ernst genommen, sie hatten seit Tagen im Schlamm<br />

gearbeitet. Dann habe ich meine Fre<strong>und</strong>Innen in Graz angerufen <strong>und</strong> sie gebeten,<br />

Schutzausrüstungen zu besorgen. Noch in <strong>der</strong> Nacht hat die Grazer Feuerwehr 105<br />

Tausend Schutzmasken <strong>und</strong> Schutzkleidung nach Ajka gebracht.<br />

Freitag ging ich mit einer Frau vom Familienschutz herum. Sie war beschäftigt, zu<br />

ermessen, welche Wirkung <strong>der</strong> Rotschlamm auf Wände, Pflanzen <strong>und</strong> die äußere<br />

Umgebung hatte. Diesen Umstand bemerkte ich zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal,<br />

bis dahin hatten mich „lediglich“ die Menschen beschäftigt. Wir haben eine Familie<br />

getroffen, die gar nicht erst begonnen hatte, etwas wie<strong>der</strong>herzustellen, da sie sich sagte,<br />

es hätte keinen Sinn. Nachdem sie von uns gebrauchte Kleidung bekommen hatten,<br />

waren sie beschämt, dass an<strong>der</strong>e arbeiteten <strong>und</strong> so fingen sie, wenn auch ohne große<br />

Motivation, an, Schlamm zu schaufeln. Es gab einen Mann vor Ort, <strong>der</strong> <strong>den</strong> Golfkrieg<br />

überlebt hatte <strong>und</strong> die Situation überraschend hart <strong>und</strong> mit Fassung ertrug. Er hat<br />

sogar Witze erzählt. Ich konnte nicht verstehen, woher er die Kraft nahm. Er sagte, er<br />

habe keine Familie, sein Leben könne er noch neu beginnen <strong>und</strong> er wolle unsere Lust<br />

am Helfen nicht nehmen.<br />

Ein altes Ehepaar wollte sein Haus nicht verlassen, sie waren schon über 80 <strong>und</strong><br />

meinten, kein neues Leben mehr anfangen zu können. Damals kam mir zum ersten Mal<br />

<strong>der</strong> Gedanke, dass vielleicht nicht alle die Gegend verlassen wür<strong>den</strong>, weil nicht alle<br />

woan<strong>der</strong>s neu anfangen können. Am gleichen Tag kam die Nachricht, dass auch <strong>der</strong><br />

nächste Damm anfing, nachzugeben. Die EinwohnenInnen von Kolontár wur<strong>den</strong><br />

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