Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

VI. Die Rotschlammkatastrophe von Devecser aus Sicht der Notfallseelsorge
Ich stieg in mein Auto und fuhr nach Gógánfa zurück, um eine Messe zu zelebrieren.
Abends rief ich meine Freunde in Graz an und sagte ihnen, dass ich Hilfe benötigte,
denn alleine würde ich nicht weiterkommen, auch den Malteser Hilfsorden, wo ich
früher meine Ausbildung absolviert habe, habe ich angerufen. Sie sagten mir, dass sie
nicht in die Region kommen und tätig werden würden, weil dies kein ernstes Problem
sei. Später sind sie dann aber doch erschienen.
Mittwoch Früh war ich erneut in Devecser und mit Freiwilligen haben wir systematisch,
nach Karten, begonnnen die überschwemmten Straßen abzugehen, um zu sehen, wem
was passiert war und wer welche Art von Hilfe benötigte. Auch der Donnerstag wurde
damit verbracht. Dabei musste ich allen vertrauen und akzeptieren, dass jeder seine
Arbeit ohne Ausbildung versehen kann. Nach einigen Stunden traf ich mich mit
Personen zu einem kurzen Gespräch. Ihr erster Kommentar war, dass sie nicht für diese
Aufgabe gekommen waren, sondern, um für die Menschen zu beten. Ich sagte ihnen,
dass sie sich um Menschen wie ein Gebet kümmern sollen, denn ein Gebet ist nicht nur
ein theoretisches Gespräch mit Gott, sondern die Praxis der Nächstenliebe. In dieser
Bedeutung von Leben müssen diese Leben mittels Gebet „umgebetet“ werden. Ich bat
sie, den Leuten zuzuhören und sich Notizen zu machen. Sie sollten immer zu zweit
gehen, denn wenn einem etwas passiert, kann der andere aushelfen. Ich habe alle
gebeten, Stiefel zu tragen und Wasser mitzuführen, denn wenn man stürzt, muss man
sich waschen. Wir hielten telefonisch Kontakt. Die Gruppe ist das ganze Gebiet
abgegangen. Sowohl sie als auch ich waren ohne Auftrag vor Ort, obwohl dies mein
Fachgebiet war. 605 Ich konnte nirgendwo mitreden und gehörte zu niemandem.
Trotzdem war ich bemüht, meine Aufgabe zu erfüllen, die die eines Seelsorgers ohne
offiziellen Auftrag war, aber auf Fachkenntnissen beruhte. Der Pfarrer vor Ort konnte
nicht auf die Seelsorge achten, da ihm die Koordination der Spenden und der Medien –
was bestimmt auch eine wichtige Tätigkeit ist, aber der Mensch kommt in so einer
Situation zuerst – wichtiger war. In diesen Tagen waren TierschützenInnen sehr aktiv
und wollten noch lebende Tiere retten. Während die Medien in den Nachrichten bereits
von der Rettung der Menschen gesprochen hatten, gab es noch Leute, die ihre
Angehörigen im Schlamm gesucht haben.
605
Ich verfügte zwar über eine gewisse Fähigkeitskompetenz, erhielt aber keine Zuständigkeitskompetenz
durch die Verantwortlichen. Diesen fehlte aber die Fähigkeitskompetenz.
275