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Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

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VI. Die Rotschlammkatastrophe von Devecser aus Sicht <strong>der</strong> Notfallseelsorge<br />

angefangen, dass wir ihnen sofort von <strong>den</strong> Gütern geben sollten, weil wir ohnehin alles<br />

auf <strong>den</strong> Müll werfen wür<strong>den</strong>. Wir haben gefragt, wo sie wohnen <strong>und</strong> sie sagten, sie<br />

wür<strong>den</strong> in Devecser leben. Wir haben dann gefragt, ob ihre Hauser beschädigt wären.<br />

Sie sagten nein, aber wir sollten ihnen trotzdem von dem „Zeugs“ geben.<br />

Es kamen auch BewohnerInnen an<strong>der</strong>er Dörfer an die Verteilerstellen, in <strong>der</strong> Hoffnung<br />

ein „Stück vom Kuchen“ zu bekommen. Aber selbst unter <strong>den</strong> Notlei<strong>den</strong><strong>den</strong> gab es<br />

Wucherer, die die Spen<strong>den</strong> als Chance erachtet haben <strong>und</strong> jetzt größere Häuser,<br />

wertvollere Gegenstände <strong>und</strong> generell mehr besitzen wollten als jemals vorher. In so<br />

einer gespannten Lage ist es schwierig, Notlei<strong>den</strong>de auf unethisches Verhalten<br />

aufmerksam zu machen. Ich traf aber auch auf Notlei<strong>den</strong>de, die tatsächlich Hilfe<br />

benötigt hätten, sich aber geschämt haben, auf die Hilfe an<strong>der</strong>er angewiesen zu sein.<br />

Die Frage <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>spen<strong>den</strong> bedarf beson<strong>der</strong>er Aufmerksamkeit. Hilfsorganisationen<br />

haben die Bevölkerung bereits in <strong>der</strong> ersten Woche gebeten, keine Kleidungsstücke<br />

mehr zu schicken, weil es keine Lagerkapazitäten mehr gab. Dessen ungeachtet sind<br />

Lieferungen eingetroffen. Die Klei<strong>der</strong>stücke zeigten aber ein gemischtes Bild: es gab<br />

schöne, neue Markenklei<strong>der</strong>, aber auch alte, kaputte, stinkende Stücke. Es gab<br />

Personen, die neue Sachen gekauft <strong>und</strong> diese geschenkt haben, an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um haben<br />

„ausgemistet“ <strong>und</strong> unnütze Dinge „großzügig“ weitergegeben. Der Extremfall war, dass<br />

jemand seinen Wäschekorb „ausgemistet“ hat. So musste die Person nicht waschen <strong>und</strong><br />

konnte sich als GönnerIn positionieren.<br />

Zusammengefasst war es eher typisch, dass Spen<strong>den</strong> sortiert wer<strong>den</strong> mussten <strong>und</strong> dies<br />

bedurfte extra Arbeitskräfte. Diese waren entwe<strong>der</strong> Freiwillige o<strong>der</strong> wur<strong>den</strong> aus<br />

Gel<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>er Spen<strong>der</strong>Innen bezahlt. Die Spen<strong>den</strong> waren aber alles in allem natürlich<br />

nützlich. Sie waren vonnöten, obwohl Hilfsorganisationen nach <strong>den</strong> ersten Erfahrungen<br />

diese Aktionen gar nicht ankündigen wollten. Auch die Spen<strong>der</strong>Innen sind<br />

unterschiedlich. Es gibt solche, die sich überlegen, was nützlich wäre, an<strong>der</strong>e –<br />

manchmal auch Firmen – wollen ihren Überfluss an<strong>der</strong>en aufnötigen. Hier war <strong>der</strong><br />

Extremfall, dass alle Familien, die hingegangen sind, eine Barbie-Puppe mit einem<br />

Arm, eine leuchtende Schnalle sowie einen gelben Frosch aus Keramik, bekommen<br />

haben <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> diesen Krempel auch bedanken mussten.<br />

Meistens kamen aber nützliche Spen<strong>den</strong> an, obwohl diese auch nicht immer sinnvoll<br />

verteilt wer<strong>den</strong> konnten. Keine Familie kann 30 kg Kartoffeln pro Woche essen <strong>und</strong><br />

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