Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

I. NFS als notwendiger Teil kirchlichen Handelns
Hilfe benötigen wir bewusst oder unbewusst, wenn wir nicht einmal in der Lage sind,
die Entstehung der Reaktionen auf den Stress zu verhindern. Aber auch in so einem Fall
können wir viel gegen die Entstehung schädlicher Gesundheitsfolgen tun. Gemeint ist
hier, Stressprozesse „in Zaum zu halten“ und ständig zu kontrollieren. 136 Die Qualität
der sozialen Beziehungen und die soziale Unterstützung sind in jedem Abschnitt der
Stressbewältigung und in jeder Gesellschaftsform von grundlegender Bedeutung. 137 Die
sozialen Arten der Konfliktlösung können gerade durch die Steigerung des
Stabilitätsgefühls Stressfolgen neutralisieren und bereiten Gruppen auf eine
Interessensvertretung vor. 138
Die Chancenungleichheit der Antworten auf den Stress kann am besten mit einem
Begriff definiert werden, den Benn und Weinstein als ‚positive Freiheit‘ bezeichnen. 139
Die positive Freiheit ist die Freiheit der Wahl. Die Verbesserung der Chancengleichheit
bedeutet nicht nur und ausschließlich eine Gleichstellung in finanziellen Dingen,
sondern die Respektierung der Persönlichkeit und der allgemeinen Lebensumstände von
Individuen aus verschiedenen sozialen Schichten, die Entwicklung der
Stressmanagement- und Konfliktlösungsfähigkeiten sowie der Kommunikations- und
Verhaltenskultur. Die Freiheit der Wahl beinhaltet auch die richtige Abwägung der
Lebensbedingungen, die richtige Interpretation der Konflikte, sowie die Verantwortung
des Neubeginns und der Entscheidungen. Es steht auch hier außer Frage, dass die
Religion bei der Bewältigung von schicksalshaften Ereignissen eine tragende Rolle
spielt. Sabine Wigger, Sebastian Murken und Andreas Maercker führen die Begriffe
„positives und negatives religiöses Coping“ an und definieren sie wie folgt:
„Während sich positives religiöses Coping durch eine positive Beziehung zu Gott sowie
Gefühle der Verbundenheit und das Finden von Sinn im Leben auszeichnet, zeigt sich
in negativen religiösen Copingmustern eine unsichere Beziehung zu Gott, der dann oft
richtend und strafend wahrgenommen wird. Negatives religiöses Coping ist oft
136
Vgl. PEARLIN / SCHOOLER, The Structure of Coping, 2-21.
137
Vgl. PIKÓ / PICZI, Az elégedettség és az elégedetlenség szociológiai vizsgálata a nővéri hivatásban,
728-734.
138
Vgl. TURNER, Direct, Indirect and Moderating Effects of Social Support on Psychological Distress and
Associated Conditions, 105-155.
139
Vgl. BENN / WEINSTEIN, Being free to act and being a free man, 121-136.
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