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Konzepte und Entwicklungsschritte für den Aufbau der Notfallselsorge

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VI. Die Rotschlammkatastrophe von Devecser aus Sicht <strong>der</strong> Notfallseelsorge<br />

Arbeit dauern würde. Keine <strong>der</strong> Fragen konnte ich beantworten. In <strong>der</strong> Pfarre wur<strong>den</strong><br />

Anrufe über drei Leitungen entgegengenommen, es gab zahlreiche Spen<strong>den</strong>, viele haben<br />

aber angerufen, um ihr Beileid auszudrücken. Dutzende Male kam es vor, dass jemand<br />

am Telefon in Tränen ausgebrochen ist <strong>und</strong> die Mitarbeiter <strong>der</strong> Pfarre Devecser<br />

jeman<strong>den</strong> aus Budapest trösten mussten. Wir waren auf die logistische Arbeit nicht<br />

vorbereitet, alle fragten, wobei sie helfen könnten, wussten aber nicht, was die Hilfe<br />

selbst ist. Am Schlimmsten war, als Helfer um fertige Projekte gebeten hatten – Kontakt<br />

zu Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> älteren Menschen –, die sie dann auch finanziert hätten. Natürlich gab<br />

es keine vorbereiteten Projekte <strong>und</strong> diese „Chancen“ galten als „versäumte<br />

Möglichkeiten“ in <strong>den</strong> Augen <strong>der</strong> HelfernInnen. Man musste etwas fin<strong>den</strong>, wobei sie<br />

helfen konnten, aber was?<br />

An<strong>der</strong>e kamen mit 15jährigen Kin<strong>der</strong>n, die keine Arbeit alleine verrichten konnten. Ein<br />

psychisch gestörter Mann, <strong>der</strong> sich <strong>für</strong> einen Nobel-Preis-Träger <strong>und</strong> Forscher hielt,<br />

bat alle um Papier, Bleistift <strong>und</strong> Aufmerksamkeit. Er ging in <strong>den</strong> Straßen auf <strong>und</strong> ab <strong>und</strong><br />

schrieb Protokolle, wie man die Situation meistern könnte. Jemand brachte 10 Liter<br />

W<strong>und</strong>erwasser in Sprühkanistern <strong>und</strong> sagte, wenn die Kranken damit besprüht wür<strong>den</strong>,<br />

wür<strong>den</strong> sie sofort genesen. Ich habe mich bedankt, alles in eine Ecke gestellt <strong>und</strong> auf ein<br />

Blatt Papier hingeschrieben: „W<strong>und</strong>erwasser. Bei Bedarf mitnehmen.“<br />

Nach einigen Tagen haben Freiwillige begonnen, miteinan<strong>der</strong> zu streiten, wer was <strong>und</strong><br />

wie macht. Die Erlebnisse waren bedrückend <strong>und</strong> die Leute mussten Dampf ablassen.<br />

Wir haben wie<strong>der</strong> Häuser besucht, <strong>und</strong> am Donnerstag fan<strong>den</strong> unsere Freiwilligen eine<br />

alte Frau in einem Haus, mit <strong>der</strong> seit Montag niemand geredet hatte. Nach <strong>der</strong><br />

Katastrophe hat sie die Tür zugemacht <strong>und</strong> uns bis dahin auf kein Klopfen <strong>und</strong> Rufen<br />

geantwortet. Sie war noch Tage nach dem Geschehen verschreckt.<br />

Ebenfalls Donnerstag kam eine Gruppe Freiwilliger von <strong>der</strong> Firma MAL. Diese Firma<br />

hat die Katastrophe verursacht. Sie haben gesagt, dass sie nichts da<strong>für</strong> können, sie<br />

wür<strong>den</strong> nur arbeiten. Es war so, als ob sie aufgr<strong>und</strong> ihres Arbeitsplatzes eine<br />

Kollektivschuld hätten. Für mich war es aber ein großes Erlebnis, sie zu treffen.<br />

An diesem Tag habe ich zum ersten Mal sauberen Parkettbo<strong>den</strong> gesehen. Ich weiß<br />

nicht, wie oft er gewaschen wurde <strong>und</strong> ob er wie<strong>der</strong> rot wurde, es war aber ein<br />

merkwürdiger Anblick. Beson<strong>der</strong>s in Hinblick darauf, dass sich später heraustellte, dass<br />

kein Schaufeln <strong>und</strong> kein Saubermachen Sinn hatte, weil die Häuser nie<strong>der</strong>gewalzt <strong>und</strong><br />

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