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Bieler Jahrbuch 2007 - mémreg - regionales Gedächtnis

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144<br />

«Ich kaufe, also bin ich»<br />

GEDANKEN ZU DEN 4. BIELER PHILOSOPHIE-<br />

TAGEN VOM 9.–11. NOVEMBER <strong>2007</strong><br />

Markus Waldvogel<br />

Konsumfrust und Kauffreude wurden während<br />

der 4. <strong>Bieler</strong> Philosophietage unter dem Motto «Ich<br />

kaufe, also bin ich» philosophisch und ökonomisch<br />

beleuchtet und in Anwesenheit von rund 450 Personen<br />

breit debattiert. Dabei ergaben sich in zehn<br />

unterschiedlichen Darbietungen überraschende<br />

Einsichten zum Thema Konsumentenmündigkeit<br />

und verführerische Manipulation.<br />

In der Schalterhalle der UBS Biel steckten am Freitag<br />

bereits die Grussworte der beteiligten Partner –<br />

unter anderen der Handels- und Industrieverein,<br />

die Gewerkschaft Unia und die Stadt Biel – das<br />

Spannungsfeld der diesjährigen Philosophietage ab.<br />

Einer symbolträchtigen Erzählung des Mythos vom<br />

König Midas und einem Exposé des französischen<br />

Philosophen Gilles Lipovetsky zur Gesellschaft des<br />

Hyperkonsums folgten die Aufzeichnungen der gut<br />

besuchten «Sternstunde Philosophie» (TV DRS) und<br />

des Radios Espace 2. Die ausgewogene Beteiligung<br />

beider Sprachgruppen unterstrich die konsequent<br />

zweisprachige Ausrichtung der Veranstaltung.<br />

Am Samstagmorgen folgten im <strong>Bieler</strong> Stadttheater<br />

die Referate von sechs Philosophinnen und Philosophen.<br />

Wolfgang Fritz Haug und Oskar Negt<br />

skizzierten ein differenziert kritisches Bild einer<br />

umfassenden Ökonomisierung der Welt. Die «Leibphilosophin»<br />

Annegret Stopczyk thematisierte die<br />

emanzipierende Wirkung eines sinnlich beurteilten<br />

Konsums und der praktische Philosoph Gerd<br />

Achenbach verglich den vorherrschenden ökonomischen<br />

Sog mit Goethes teuflischem Pakt. Christian<br />

Arnsperger befragte die (mögliche) Autonomie und<br />

die Hilflosigkeit des Konsumenten, und Gilles Lipovetsky<br />

präzisierte die Position des Käufers zwischen<br />

Abhängigkeit und leidenschaftlicher Freiheit.<br />

Weniger analytische Zugänge zum Thema boten<br />

die kulturellen Veranstaltungen, die in die <strong>Bieler</strong><br />

Philosophietage eingebettet waren. Das Stück «Torschusspanik»<br />

bot Anlass zu einer nachdrücklichen<br />

Diskussion zur Ökonomie des Kinderkriegens in der<br />

westlichen Welt. Der Film «Der tschechische Traum»<br />

regte eine Diskussionsrunde zur Rolle von Werbung<br />

und Verführung zum Konsum an – eine Thematik,<br />

die das Atelier «Kaufrausch» am Sonntag mit visuellen,<br />

literarischen und musikalischen Mitteln eingängig<br />

zuspitzte. Die junge <strong>Bieler</strong> Band «Lazen»<br />

begleitete Diskussionen im lockeren Rahmen bis<br />

tief in die Nacht. Die Komposition «Sterntaler»<br />

des <strong>Bieler</strong> Komponisten Urs Peter Schneider, abgerundet<br />

durch Lieder von Ludwig van Beethoven,<br />

schloss am Sonntag den kulturellen Rahmen der<br />

diesjährigen <strong>Bieler</strong> Philosophietage. Die Schriftstellerin<br />

Anne Weber kommentierte aus eigenwilliger<br />

Perspektive die 4. <strong>Bieler</strong> Philosophietage, indem sie<br />

unter anderem den Philosophen das Motto «Ich bin,<br />

also denke ich» empfahl.<br />

Die 4. <strong>Bieler</strong> Philosophietage machten es deutlich:<br />

ein konsequent zweisprachiges Konzept – ohne<br />

Simultanübersetzungen – funktioniert dann gut,<br />

wenn rein deutschsprachige und französischsprachige<br />

Veranstaltungen parallel zueinander durchgeführt<br />

werden. Die Zweisprachigkeit der <strong>Bieler</strong><br />

Philosophietage überschreitet zudem das regional<br />

beliebte Motto «Jeder in seiner Sprache». Franzosen<br />

und Deutsche philosophieren in Biel je in ihrer Sprache<br />

– für ein wirkliches Verständnis brauchts Übersetzungen<br />

und/oder ein Publikum, das sowohl<br />

französischsprachige als auch deutschsprachige<br />

Philosophen und Philosophinnen besuchen will.

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