Bieler Jahrbuch 2007 - mémreg - regionales Gedächtnis
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252<br />
Film<br />
DAS BIELER KINOJAHR<br />
Mario Cortesi<br />
Nach zwei guten Jahren einer erfolgreichen Schweizer<br />
Filmproduktion kam <strong>2007</strong> ein Einbruch. Kein<br />
einziger helvetischer Spielfilm erreichte ähnliche<br />
Werte – sowohl künstlerisch wie kassenmässig –<br />
wie in den Vorjahren «Die Herbstzeitlosen» oder<br />
«Mein Name ist Eugen». Der lang erwartete «Tell»<br />
war eine Katastrophe und floppte, der doch recht<br />
gescheite «Chicken Mexicaine» – Galgenhumor in<br />
einem Basler Knast – wurde bloss in einigen grösseren<br />
Städten gespielt, schaffte es nicht einmal bis<br />
Biel. Nicht zu sprechen vom unverständlichen<br />
«I was a Swiss Banker», einem abstrusen Märchen<br />
von Bankern und Bodenseenixen, oder dem<br />
gewalttätigen «Breakout», wo sich im Zürcher Kreis<br />
12 Hip-Hopper sinnlos verprügeln. Einzig über<br />
den Durchschnitt ragte der Film «La vraie vie est<br />
ailleurs» aus der Romandie, eine gelungene Studie<br />
über Einsamkeit, unerfüllte Wünsche und Leere<br />
im Leben.<br />
Dagegen gab es wiederum eine Reihe guter Dokumentarfilme.<br />
Von «O mein Papa» – über den 1977<br />
verstorbenen Komponisten Paul Burkhard – über<br />
den Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler («Dutti der<br />
Riese») bis zum hochgelobten «Heimatklänge», einem<br />
stimmigen Werk über urtümliche Musik. Sehenswert<br />
auch das Porträt über den Maler Markus Raetz,<br />
berührend auch «Chrigu», das aufwühlende Dokument<br />
über einen 21-Jährigen, der an einem Tumor<br />
stirbt. Doch Dokumentarfilme wollen im Schweizer<br />
Kino jeweils nur einige Zehntausend Besucher<br />
sehen – man wartet lieber, bis sie im Fern sehen,<br />
welches meist als Koproduzent auftritt, gespielt<br />
werden.<br />
So war dieses Jahr die Bahn mehr denn je frei für<br />
die amerikanischen Blockbuster, welche alles dominierten.<br />
Auf dem amerikanischen Markt holte jedes<br />
der sechs grossen Studios – Paramount, Warner,<br />
Disney, Sony, Universal, Fox – Einnahmen von mehr<br />
als einer Milliarde Dollar, also wesentlich mehr als<br />
im Vorjahr. Am erfolgreichsten in den USA war die<br />
dritte Ausgabe von «Spider Man».<br />
In Biel – und auch in der übrigen Schweiz – erzielte<br />
das gelungene Animationsmovie «Ratatouille» –<br />
im Vorjahr stand hier mit «Ice Age 2» ein anderer<br />
Animationsfilm an der Spitze – die besten Einspielergebnisse.<br />
Die Geschichte einer Ratte, die in der<br />
französischen Gourmet-Szene zum Spitzenkoch<br />
avanciert, ist tatsächlich köstlich und begeisterte<br />
Jung und Alt. Da verblassten alle weiteren computergenerierten<br />
Trickfilme von «Bee Movie» über die dritte<br />
«Shrek»-Version bis zum frechen «Simpson’s Movie».<br />
Aussergewöhnlich allerdings im Kontrast dazu ein<br />
schwarzweisser, sehr einfach gezeichneter Film aus<br />
Frankreich: «Persepolis» schildert in simplen Bildern<br />
den lange erhofften Sturz des persischen Schahs und<br />
dann die Rückkehr Irans ins Mittelalter.<br />
Aus den USA erreichten dieses Jahr nur wenige<br />
wirklich sehenswerte Filme die Schweizer Kinos.<br />
«Letters from Iwo Jima», Clint Eastwoods Kriegsepos,<br />
das aus der Sicht der Japaner die Eroberung von Iwo<br />
Jima im Zweiten Weltkrieg durch die Amerikaner<br />
und die damit verbundene riesige Schlächterei festhält:<br />
ein Mahnmal und ein Versuch zur Versöhnung.<br />
Oder «Lions for Lambs» von Robert Redford, eine brisante<br />
Abrechnung mit der amerikanischen Kriegsmaschinerie<br />
in Afghanistan. Dann «Babel», wo ein<br />
Schuss auf einen Touristenbus in einem Drittweltland<br />
eine weltumspannende Kettenreaktion auslöst.<br />
Lange Zeit weiss der Zuschauer nicht, warum drei<br />
gleichzeitig stattfindende Geschichten in Japan, den