Bieler Jahrbuch 2007 - mémreg - regionales Gedächtnis
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Winterservice oder Service<br />
public, wie auch<br />
immer. Verdienste kann<br />
man sich erwerben, und<br />
erwerben kann man sich<br />
in unserer Gesellschaft<br />
fast alles. Ich meinte<br />
aber, bei Ruedi Hadorn,<br />
der als Lateinlehrer,<br />
emeritierter Professor<br />
und abverdienter Offizier<br />
weiss um den prekären<br />
Zusammenhang von<br />
«officium» und Meriten,<br />
immer etwas Wichtigeres<br />
bemerkt zu haben.<br />
Nicht um die Leistung<br />
geht es, die man für einen höheren Zweck erbringt,<br />
sondern um das, was einer auf Augenhöhe mit dem<br />
andern und für diesen andern tut. Ich würde es nicht<br />
Dienen nennen, sondern Helfen. Wer dient, gibt sich<br />
auf. Wer hilft, bezieht seine Kraft, seine Kraft zu<br />
helfen, aus seiner Unabhängigkeit. Er ist sich, nicht<br />
seinem Auftraggeber treu. Deine Unabhängigkeit<br />
ist es, die mir dein Engagement, lieber Ruedi, immer<br />
glaubwürdig und vertrauensvoll gemacht hat.<br />
Wer einen Blick in die Bibliographie Ruedi Hadorns<br />
tut, wird neben anderen Büchern auch Unterrichtshilfen,<br />
Materialiensammlungen finden. Das ist sein<br />
Feld! Materialien lassen denjenigen frei, der sie für<br />
sich in Gebrauch nimmt. Und nehmen ihn gerade<br />
dadurch ernst. Sie degradieren ihn nicht zum Konsumenten,<br />
sondern verpflichten ihn zur Verantwortung<br />
vor sich selber. Um mit Marianne Fritz zu sprechen:<br />
Sie billigen ihm die Möglichkeit zu, noch viel<br />
mehr zu leisten.<br />
Es ist nicht die Anzahl der Institutionen, in denen<br />
Ruedi Hadorn gearbeitet hat, die mich beeindruckt.<br />
Es ist das wie. Wie er es getan hat und tut: nicht für<br />
die Institution, sondern aus ihr heraus. Die Institu-<br />
tion legitimiert sich für Ruedi Hadorn durch das,<br />
was sie für die Einzelnen zu leisten vermag. Es gibt<br />
heute nicht mehr viele, die die Würde des Menschen<br />
über die Autorität der Institutionen stellen. Auch<br />
die der Kunst. Ruedi Hadorn ist einer von ihnen.<br />
Zweck seines Engagements ist nicht die Kunst, sondern<br />
der Künstler. Sein Kunstbegriff ist an seiner<br />
Basis ein sozialer.<br />
Der umfassendste Begriff zur Bezeichnung von<br />
Ruedi Hadorns Lebenswerk aber ist der der Bildung.<br />
Sein Leben hat sich in der Bildung gebildet.<br />
Das geht nur, wenn man eingesehen hat, dass nicht<br />
wir das Leben, sondern das Leben uns bildet. Ohne<br />
diese Weisheit, die sich bei Ruedi Hadorn in einer<br />
täglichen Lebenskunst – oder soll ich es Lebensmusik<br />
nennen? – äussert, ist Bildung nichts als eine<br />
Form von Eitelkeit.<br />
Bildung, das habe ich in den 40 Jahren, in denen ich<br />
Ruedi Hadorn kenne, von ihm gelernt, ist nichts, was<br />
man haben kann. Sie ist ein Tun. Das Wort Bildung<br />
redet von «Bildern», wie sie die Maler malen und<br />
die Dichter schildern. Und auch das englische «building»<br />
ist darin zu hören. Bilden heisst Bauen. Und<br />
Stadtpräsident Hans<br />
Stöckli (links) übergibt<br />
Rudolf Hadorn die Ehrung<br />
für kulturelle Verdienste<br />
<strong>2007</strong>. Foto: Olivier Gresset<br />
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