Bieler Jahrbuch 2007 - mémreg - regionales Gedächtnis
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Ein ungewöhnlicher Fund<br />
an der Brandmauer hat<br />
den Innenneubau von<br />
1764 überlebt: ein Wandmalerei-Zyklus<br />
der Gut<br />
und Böse, getrennt durch<br />
Blütenranken, gegenüberstellt.<br />
Die Personifikation<br />
des Glaubens<br />
(«Fides») hält Kreuz und<br />
Abendmahlkelch einer<br />
betenden, knienden Frau<br />
entgegen, deren Gesicht<br />
von der Sonne beschienen<br />
wird.<br />
Foto: Denkmalpflege<br />
des Kantons Bern,<br />
Hansjörg Gerber<br />
bauen und im völlig verwahrlosten Erdgeschoss<br />
einen Raum für Stadtführungen einzurichten. Das<br />
Schwergewicht der Arbeiten an der alten Substanz<br />
wurde auf die Instandstellung der Täfer, der Wand-<br />
und Deckenoberflächen in sämtlichen Räumen<br />
gelegt. Auf ein Ablaugen der ursprünglich holzsichtigen<br />
Weichholztäfer wurde aus Kosten- und<br />
Lichtgründen ebenso verzichtet wie auf die Wiederherstellung<br />
der originalen Fussböden, welche<br />
weiterhin unter neuem Parkett schlummern.<br />
Die restauratorische Hauptleistung galt jedoch der<br />
«belle pièce» im zweiten Stock. Man entschied, die<br />
späteren Veränderungen – Einbau der Eckkiste<br />
zugunsten der Küche und die zufälligen Täferergänzungen<br />
– zu entfernen, die Anstriche auf dem<br />
Eichenholz sorgfältig abzulaugen und das Holzwerk<br />
zu reparieren, die fehlende Deckenecke zu<br />
ergänzen und die Sichtholzflächen nach Befund mit<br />
Öl und Schellack wiederherzustellen. Der originale<br />
Boden wurde instand gestellt, die Wände erneut mit<br />
einer textilen tapezierten Bespannung versehen. Im<br />
Bereich der freigelegten, gesicherten und dokumentierten<br />
Wandmalereien der Zeit um 1600, die<br />
im Ambiente des 18. Jahrhunderts nichts zu suchen<br />
haben – und auch damals verdeckt waren –, können<br />
die Bespannungen bei Bedarf demontiert werden.<br />
Dem Raum fehlte einzig der Ofen – die Lücke war<br />
volumetrisch und wegen der anderen Wandoberfläche<br />
(Verputz statt Täfer) überaus spürbar. Man entschied,<br />
einen aus dem 3. Viertel des 18. Jahrhunderts<br />
stammenden Neuenstädterofen aus dem Depot der<br />
Denkmalpflege einzubauen. Der Kachelofen passt<br />
mit manganvioletten Malereien – Chinoiserien und<br />
Landschaften, lebhafte Louis-XV-Ornamente – in<br />
Farbe und Motiv ausgezeichnet in den Raum, welcher<br />
damit wieder die Qualität der Bauzeit zurückerhalten<br />
hat.<br />
Anmerkungen<br />
1 Das Datum, aus der Zeit des Waldleuten-Neubaus, ist<br />
auf einem 1764 an der Rückfassade wieder verwendeten<br />
Fenstersturz eingehauen. Es befand sich wohl ursprünglich<br />
an der Hauptfassade.<br />
2 Mitglied der regierenden Familie Amsel (Amsler). Vgl.<br />
Werner Bourquin: Das Haus des Burgermeisters Joh. Heinrich<br />
Bloesch. <strong>Bieler</strong> Tagblatt, 9.12.1960.<br />
3 Der Verfasser dankt dem Mitarbeiter Georges Herzog für<br />
seine ikonographische Untersuchung.<br />
4 Werner und Marcus Bourquin: Biel, Stadtgeschichtliches<br />
Lexikon. Biel 1999. Im Erdgeschoss eine wiederverwendete<br />
Leistendecke des 17. Jahrhunderts, Tragkonstruktion mit<br />
preussischen Kappen jedoch sicher 18. Jahrhundert.<br />
5 So sind die kleinen Quadratfelder je einzeln gestemmt<br />
eingefügt, Trennstäbe nicht bloss aufgesetzt.<br />
6 Bestimmung Bernard Jacqué, Musée du Papier Peint de<br />
Rixheim, Alsace.<br />
Der Autor<br />
Dr. Jürg Schweizer ist Leiter der Kantonalen Denkmalpflege.