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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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KUNSTWISSENSCHAFTEN<br />

dere aber solche Projekte, die sich mit Grundlagen und Quellen befassen,<br />

mit methodischen Fragen, der Erörterung von Leitkategorien,<br />

mit interdisziplinären Recherchen, insgesamt mit solchen wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen, die sich durch Problembewusstsein<br />

und hohes Reflexionsniveau auszeichnen. Die Finanzierung reiner<br />

Katalogisierungs- und Editionsprojekte zählt nicht zu den prioritären<br />

Förderanliegen der <strong>Stiftung</strong>.<br />

„REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler“, ein von<br />

der <strong>Stiftung</strong> gefördertes, historisch-kunsthistorisches Kooperationsprojekt<br />

der Humboldt-Universität zu Berlin (Prof. H. Bredekamp,<br />

Kunstgeschichtliches Seminar) und der Universität Fribourg/Schweiz<br />

(Prof. V. Reinhardt, Seminar für Allgemeine und Schweizer Geschichte),<br />

ist der Erforschung der römischen Grabkultur in der Frühen Neuzeit<br />

gewidmet. Es arbeitet dabei als interdisziplinäres Projekt sowohl mit<br />

kunsthistorischen wie auch historischen Fragestellungen und Methoden.<br />

Zu allen Zeiten haben gesellschaftliche Eliten ihre Stellung durch die<br />

künstlerisch-visuelle Inszenierung der Vergangenheit zu legitimieren<br />

und ihre Zukunft zu sichern gesucht. Selten jedoch spielte die aufwendige<br />

Erinnerung an die Vorfahren eine so große Rolle wie im Rom<br />

der Renaissance und des Barock, wovon sich noch heute überzeugen<br />

kann, wer die zahlreichen römischen Kirchen betritt. Von der einfachen<br />

Marmorplatte bis zu kostspieligen skulpturalen Meisterwerken<br />

reicht die Bandbreite der Produktion und wirft die Frage nach den<br />

gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen dieser in Quantität und<br />

Qualität einmaligen Grabkultur auf.<br />

Ein gewichtiger Grund liegt sicherlich in der einzigartigen politischen<br />

Verfassung des Kirchenstaates als einer kirchlichen Wahlmonarchie.<br />

Denn in raschem Rhythmus wechselten in Rom die Herrscher und<br />

zugleich mit ihnen die Herrscherfamilien und ihre Anhängerschaft.<br />

Daraus resultierte eine ungewöhnlich intensive Konkurrenz um den<br />

sozialen Aufstieg; man ist versucht von einer „Hyperkonkurrenz“ zu<br />

sprechen, die den idealen Nährboden für eine intensive, tatsächlich<br />

ja auch bis heute bestaunte künstlerische Produktivität auf allen Gebieten<br />

schuf. Im Medium der Grabkunst galt es für die Angehörigen<br />

der römischen Oberschicht nicht nur, immer wieder auf herausragende<br />

Familienangehörige zu verweisen, um damit die gesellschaftliche<br />

Position in der Gegenwart und für die Zukunft zu stabilisieren und<br />

nach Möglichkeit zu dynamisieren. Dieser Verweis musste – eine<br />

Folge der intensiven Konkurrenzsituation – in möglichst neuen, aufsehenerregenden<br />

Formen erfolgen. Wer auf sich hielt, verfügte nicht<br />

nur über eine Grab- und Familienkapelle, sondern stattete diese nach<br />

zum Teil sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten entsprechend aus.<br />

Die scheinbar für die Ewigkeit bestimmte marmorne Erinnerung an<br />

die Vorfahren gewinnt aus der „Vogelperspektive“ über die Jahrhunderte<br />

hinweg eine erstaunliche Lebendigkeit und gestattet<br />

grundlegende Rückschlüsse auf die Etablierungs- und Behauptungsstrategien<br />

frühmoderner Eliten.<br />

Papst- und<br />

Kardinalsgrabmäler<br />

Seite 97

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