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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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ETHNOLOGIE<br />

weder im sozialen, politischen noch im wirtschaftlichen Bereich. Die<br />

Wirtschaftsweise basiert auf Fischfang, Obst, Kautschuk/Ölpalme<br />

und auf Kleinhandel. Die sozialen Beziehungen sind über lokale<br />

Institutionen der Reziprozität und Redistribution geregelt, wobei die<br />

Entleihung des Fremden und seine Integration in lokale Systeme<br />

einen fundamentalen Mechanismus der Auseinandersetzung des<br />

Fremden mit dem Eigenen darstellen. Eine wichtige Funktion übernimmt<br />

dabei in den Dorfgemeinschaften der gemeinsame rituelle<br />

Austausch, durch den die soziale Solidarität immer wieder neu zum<br />

Ausdruck gebracht wird.<br />

Die Konvertierung der großen Mehrheit der Thais zum Buddhismus<br />

und der Malaien zum Islam hat hier keineswegs die lokale Kosmologie<br />

gesetzt. Die lokalen Gemeinschaften haben vielmehr Weltreligion<br />

in ihre lokale Struktur relativiert. Positionen im Dorf werden<br />

kosmologisch zugewiesen bzw. legitimiert. Die Häuser haben<br />

dasselbe Design, unterscheiden sich nur durch Details, z.B. Koranzitate.<br />

Von außen lässt sich die Konfessionszugehörigkeit nicht identifizieren.<br />

Zudem ist Konvertierung in beide Richtungen üblich.<br />

Im malaiisch-dominierten kommunalen Diskurs werden dagegen<br />

thaisprachige Muslime als minderwertig gesehen, da sie unreines<br />

Essen zu sich nähmen, nicht die Moschee aufsuchten und die Gebete<br />

nicht einhielten. Thaisprachige Muslime werden daher auch nicht<br />

als vollwertige Mitglieder der „umma“, der muslimischen Gemeindeversammlung,<br />

anerkannt. Sie werden von den Malaien in Patani<br />

bezichtigt, von thailändischen kosmologischen Einflüssen verunreinigt<br />

zu sein und die islamische Literatur nicht in den heiligen<br />

Schriften Jawi oder Arabisch wahrzunehmen.<br />

In den achtziger und neunziger Jahren scheint auch das lokale System<br />

in den gemischtkonfessionellen Gebieten Südthailands Risse<br />

bekommen zu haben. Die religiöse Unterscheidung wird stärker<br />

betont. Im Zuge der Marktintegration verwischen die kosmologisch<br />

zugewiesenen Positionen über Ressourcen. Konvertierungen vom<br />

Islam zum Buddhismus werden unter dem Einfluss islamischer<br />

Reformbewegungen verboten. Rituelle Praktiken werden überprüft,<br />

und die Teilnahme an den Festen der jeweils anderen wird<br />

beendet.<br />

Im Rahmen des Projekts soll untersucht werden, wie es zu einem<br />

Wechsel von Koexistenz zur sozialen Konstruktion von Antagonismus<br />

und Feindschaft kommt, welche Ideen, Werte und soziale Handlungsmuster<br />

die Interaktion von Menschen unterschiedlicher Konfessionen<br />

bestimmen und unter welchen Bedingungen diese Interaktionen<br />

einen antagonistischen Charakter zeigen. Die Antwort auf<br />

diese Fragen liegt – so die These – im Kollaps der auf Integration des<br />

Fremden basierenden lokalen kosmischen Systeme durch staatliche<br />

Einflüsse, die Kräfte der Marktausdehnung und durch Integration in<br />

Prozesse kultureller Globalisierung. Das soziale System muss zusammenbrechen,<br />

wenn die Integration des Fremden in lokale Insti-<br />

Seite 209

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