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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Seite 24<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

Leben? Eine Antwort auf diese beiden Fragen steht vor der Schwierigkeit,<br />

dass für den Menschen Anfang und Ende seiner Existenz<br />

nicht unmittelbar greifbar sind. Sie genauer zu bestimmen, ist nicht<br />

zuletzt deshalb für die wissenschaftliche Arbeit eine stets neu zu bewältigende<br />

Aufgabe, zumal angesichts der Tatsache, dass die moderne<br />

Reproduktionsmedizin und molekulare Zellbiologie einen neuen<br />

Schub von Abgrenzungsproblemen in Fragen der Schutzwürdigkeit<br />

vorgeburtlichen menschlichen Lebens provoziert haben. Bei der<br />

Suche nach einer Antwort kann die Theologie einen wichtigen Beitrag<br />

leisten, indem sie Gott als denjenigen aufweist, der angesichts<br />

der Konfrontation mit dem Nichts das menschliche Geschöpf zu konstituieren<br />

und zu bewahren vermag.<br />

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, im Rückgang auf antike und mittelalterliche<br />

Quellen sowie durch gezielte Analysen einschlägiger<br />

theologischer Texte des 20. Jahrhunderts den Fragen nach der Herkunft<br />

und Zukunft des Lebens eines Menschen nachzugehen, um auf<br />

diesem Hintergrund das Gespräch mit der aktuellen theologischen,<br />

naturwissenschaftlichen und philosophischen Forschung zu eröffnen.<br />

Näherhin soll danach gefragt werden, welchen Beitrag die klassische<br />

Anthropologie mit der Unterscheidung von Leib, Seele und Geist zur<br />

aktuellen Diskussion um die Konstituierung der menschlichen Person<br />

leisten und wie der christliche Gottesglaube die Existenz des Menschen<br />

zu Beginn des Lebens und im Sterben begründen kann.<br />

Das Projekt wird sich in seiner geistesgeschichtlichen Dimension auf<br />

die Rezeption der aristotelischen Schrift „De anima“ konzentrieren.<br />

Aristoteles hat mit diesem Opus als erster Philosoph der Seele eine<br />

eigene systematische Untersuchung gewidmet. In der Frage der<br />

Abgrenzung des Gegenstandsbereiches und der Methodik hat er<br />

Neuland betreten und die Lehre von der Seele der Naturwissenschaft<br />

eingegliedert. „De anima“ wurde dann für die mittelalterliche Anthropologie<br />

die entscheidende Gesprächsplattform für Lehrentscheidungen.<br />

Die gezielte Lektüre der mittelalterlichen Diskussion soll auf<br />

deren welterschließende Kraft aufmerksam machen. Entsprechend<br />

sind die alten Texte mit dem strengen Fokus aktuell aufgeworfener<br />

bioethischer und eschatologischer Problemlagen zu lesen, um so die<br />

innertheologische sowie die interdisziplinärer Verständigung über<br />

diese Problemlagen zu vertiefen.<br />

Ein erster geistesgeschichtlicher Erkundungsgang nimmt zunächst<br />

die Diskussion der entsprechenden Fragen bei Thomas von Aquin in<br />

den Blick. Interpretiert werden sollen einschlägige Passagen des „De<br />

anima“ – Kommentars des Aquinaten im Kontext des thomanischen<br />

Gesamtwerks. Der Erkundungsgang durch die Aristoteles-Interpretationen<br />

hat sich von Thomas aus sukzessiv konzentrisch zu erweitern<br />

und soll schließlich vom Frühmittelalter bis in die Renaissancephilosophie<br />

aus greifen (u.a. Albertus Magnus, Averroes, Johannes Philoponus,<br />

Bonaventura, Ockham, Pietro Pomponazzi). In einem zweiten<br />

geistesgeschichtlichen Erkundungsgang sind wichtige theologische<br />

Positionen des 20. Jahrhunderts in systematischer Perspektive zu

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