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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Seite 28<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

Die Untersuchung setzt mit dem Anfang der Aufstandsbewegung unter<br />

Rohdan Chemel’nyckyj (1648) ein, die zu umfangreichen sozialen,<br />

politischen und religiösen Veränderungen in der Ukraine führte. Wichtigstes<br />

politisches Ergebnis dieses Krieges war die Teilung der Ukraine<br />

in einen rechtsufrigen polnischen Teil, der in die Jurisdiktion der<br />

nach der Kirchenunion von Brest (1596) entstandenen griechischkatholischen<br />

(unierten) Kirche integriert wurde, und in den linksufrigen<br />

russischen Teil. In diese Zeit fallen auch die Kirchenreformbemühungen<br />

des Patriarchen von Moskau, Nikon. Auf den Moskauer<br />

Synoden von 1654, 1655 und 1656 erwirkte er die Angleichung der<br />

Liturgie an die byzantinische, was jedoch zu einer Widerstandsbewegung<br />

der „Altgläubigen“ führte, die die Reformen als Einbruch in<br />

die geheiligte russische Tradition empfanden, den Kampf gegen den<br />

Staat aufnahmen und ein Schisma innerhalb der russischen Orthodoxie<br />

auslösten. In den 1680er Jahren verhängte der Staat z.T. drakonische<br />

Maßnahmen gegen diese „Altgläubigen“. Ein Ukas von 1685<br />

verfügte ihre Verfolgung und Verurteilung als Aufständische und<br />

Staatsfeinde. Tausende von ihnen wurden hingerichtet, viele entzogen<br />

sich den Häschern durch Selbstverbrennung. Auch die kanonische<br />

Unterstellung der Kiever Metropolie unter das Moskauer Patriarchat<br />

und die Vertreibung der unierten Geistlichen sollten der Wiederherstellung<br />

der Position der orthodoxen Kirche dienen. Der Untersuchungszeitraum<br />

reicht bis zum Regierungsantritt Katharinas II.<br />

(1762), die das ganze System der Finanzierung der Kirchen reformierte.<br />

Unter anderem wurde feste Preise für die Kasualien eingeführt. Die<br />

Regierungszeit Katharinas der Großen brachte auch die Einführung<br />

der Leibeigenschaft in der linksufrigen Ukraine, die die Handlungsmöglichkeiten<br />

der dörflichen Kirchengemeinde reduzierte.<br />

Während die Durchführung der vom Patriarchen Nikon (1653-1658)<br />

begonnen liturgischen Reform seit den 1680er Jahren auf den Widerstand<br />

der Bauern des russischen Nordens stieß, ging zur gleichen<br />

Zeit der Übergang der drei „westlichen“ ukrainischen Diözesen<br />

(Peremys˘l, L’viv und Luck) zur Kirchenunion relativ friedlich vonstatten.<br />

Die Hypothese ist, dass diese Unterschiede durch die Rolle der<br />

Kirchengemeinde zu erklären sind. Die Untersuchung geht davon<br />

aus, dass die konfessionelle Teilung der Ukraine seit der Mitte des<br />

17. Jahrhunderts in einen orthodoxen und einen griechisch-katholischen<br />

(sog. „unierten“) Teil nicht nur eine Folge der Aufteilung der<br />

Ukraine zwischen der polnischen Adelsrepublik und dem Moskauer<br />

Staat war, sondern auch durch die strukturellen Eigenschaften der<br />

rechtsufrigen bzw. linksufrigen Ukraine ermöglicht wurde. Es wird<br />

vermutet, dass die Kirchenunion sich dort durchsetzte, wo die Priesterwahl<br />

nicht vorhanden war, zum Beispiel in Galizien, weil sie einen<br />

unüberwindlichen Widerspruch zum Tridentinum darstellte. Umgekehrt<br />

hatte dort, wo die Kirchengemeinde einflussreich und das Recht<br />

der Priesterwahl gegeben war, die Kirchenunion wenig Chancen.

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