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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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THEOLOGIE UND RELIGIONSWISSENSCHAFT<br />

Das Forschungsvorhaben hat die Untersuchung der landeskirchlichen<br />

Identität der Evangelisch-Lutherischen Thüringens unter den<br />

Bedingungen der SBZ und nachfolgend der DDR zum Ziel. Gegenstand<br />

des Projektes ist die formative Phase innerhalb der DDR, das<br />

heißt die Jahre vom Kriegsende 1945 bis etwa 1957/58.<br />

Die Thüringer Kirche zeichnete sich seit ihrer Gründung 1919 durch<br />

eine ausgeprägte Vielgestaltigkeit aus, die die Herausbildung einer<br />

klaren Identität in der Zeit der Weimarer Republik verhinderte. Nach<br />

der Machtübernahme eliminierten die übermächtigen und radikalen<br />

Thüringer Deutschen Christen das unter demokratischen Verhältnissen<br />

existierende, teils theologisch teils regional begründete Nebeneinander<br />

vielfältiger theologisch-kirchlicher Strömungen. Nur eine<br />

relativ schwache Bekennende Kirche und ein Zusammenschluss<br />

liberaler Theologen waren als Oppositionsgruppen zu den Deutschen<br />

Christen noch vorhanden. Nach 1945 gewann in Thüringen wiederum<br />

eine kirchenpolitische Richtung die Oberhand, die über Thüringen<br />

hinaus gesamtkirchen-politisch große Bedeutung für das geteilte<br />

Deutschland hatte. Der eigentlich im lutherischen Konfessionalismus<br />

beheimatete Landesbischof Moritz Mitzenheim, der mit seiner Spielart<br />

einer einseitig staatsaffirmativen Zwei-Reiche-Lehre eine kirchenpolitische<br />

Vorreiterposition im Sinne des SED-Staates einnahm, verdrängte<br />

einerseits die Lutherische Bekenntnisgemeinschaft wiederum<br />

in eine Oppositionsrolle und beließ andererseits das Kirchenregiment<br />

in den Händen kirchlich-liberaler, aber auch ehemals deutschchristlicher<br />

Persönlichkeiten, die sich im Weimarer Arbeitskreis gesammelt<br />

und in den juristischen Oberkirchenrat Gerhard Lotz ihren spiritus<br />

rector hatten. Der kirchenpolitische Weg dieser Kirchenleitung, der<br />

sich bis etwa 1957/58 entwickelte und bis etwa 1970 anhielt, wurde<br />

von SED, MfS, aber auch von der Ost-CDU begleitet und unterstützt.<br />

Ziel des Projektes ist die Untersuchung und monographische Darstellung<br />

von Kontinuitäten und Diskontinuitäten beim Neuaufbau einer<br />

Landeskirche in der SBZ und DDR. Die Thüringer Landeskirche eignet<br />

sich für eine solche Studie wegen ihrer kirchlich-theologischen,<br />

regionalen und auch mentalen Vielgestaltigkeit besonders gut, weil<br />

hier die Fortwirkung verschiedener Identitäten innerhalb nur einer<br />

Landeskirche über die Systeme hinweg untersucht werden kann. So<br />

ist etwa die Frage zu stellen, inwieweit die starken, einst auch als<br />

Zusammenschlüsse existierenden kirchlich-liberalen Traditionen in<br />

den Regionen der ehemaligen sächisch-ernestinischen Herzogtümer,<br />

die stark lutherisch konfessionellen Prägungen Ost- und Nordthüringens,<br />

die volkskirchlichen Gegebenheiten Südthüringens, die religiössozialistischen<br />

Milieus in einigen Thüringer Kleinstädten oder die<br />

einst weithin vorhandene völkisch-nationale und später deutschchristliche<br />

Bewegung noch über 1933 und 1945 fortwirkten und<br />

welche Konsequenzen solche Kontinuitäten für das innerkirchliche<br />

Gefüge und die Existenz von Kirche im staatlichen Rahmen hatte.<br />

Die Analyse der Entwicklung der Thüringer Kirche nach 1945 wird<br />

mit der Entnazifizierung und der Neubildung der Kirchenleitung ein-<br />

Seite 31

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