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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Identitätskonstruktionen<br />

Mauritius<br />

Seite 210<br />

STAAT, WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT<br />

tutionen außer Kraft gesetzt wird und in der Interaktion Tausch und<br />

Solidarität aufgekündigt werden. Überlokale Faktoren, welche die<br />

Mechanismen der Koexistenz aushöhlen, sind: die Betonung der<br />

Weltreligion in modernen Anerkennungsdiskursen, die politische<br />

Ideologie des Staates sowie die zunehmende Verarmung im Zuge der<br />

Marktexpansion. In der Spirale der Rivalität und des kulturellen<br />

Wettbewerbs werden schließlich Muster der Lebensführung zu<br />

Fragen politischer Legitimität aufgeladen und gewaltsame Konfliktlösungen<br />

provoziert.<br />

Bei Feldstudien in Thailand soll die lokale Geschichte der Dörfer<br />

und ihre Integration in größere Zusammenhänge aus den Erzählungen<br />

der Dorfbewohner rekonstruiert werden. Methodisch wird sich<br />

die Forschungsarbeit auf die „Schnittpunkte“ konzentrieren, d.h.<br />

nachbarschaftliche Beziehungen, religiöse Rituale und Mythen sowie<br />

gemeinsame Aktivitäten der gemischt-konfessionellen Bewohner.<br />

Prof. B. Schnepel, Institut für Ethnologie, und Prof. R. Ludwig, Institut<br />

für Romanistik, Universität Halle-Wittenberg, wurden Mittel bewilligt<br />

für das Projekt „Performative Aushandlungen und Konstruktionen<br />

von Identitäten in einer hybriden Kultur: Das Beispiel Mauritius.“<br />

Mauritus (mit seiner 60 km Nord-Süd- und 45 km Ost-West-<br />

Erstreckung) verfügt über eine einzigartige multikulturelle Gesellschaft.<br />

Die ursprünglich unbewohnte Insel wurde im 18. Jahrhundert<br />

durch die Franzosen besiedelt, die für den Zuckerrohr-Anbau Sklaven<br />

aus Ost- und Westafrika dorthin holten, und geriet dann bis 1968<br />

unter britische Oberhoheit (blieb aber in Sprache und Kultur nach<br />

Frankreich ausgerichtet). Nach dem Verbot der Sklaverei 1835 wurden<br />

für den Zuckerrohrbau Arbeiter aus Indien angeworben, die bis<br />

heute eine politische Mehrheit darstellen; zeitgleich bildete sich mit<br />

den „coloureds“ oder „gens de couleur“, Kindern von Plantagenbesitzern<br />

und afrikanischen Sklaven, eine neue Bevölkerungsgruppe<br />

aus. Heute werden auf dem – ökonomisch florierenden – Mauritius<br />

15 Sprachen gesprochen, darunter Englisch (Staatssprache), Französisch,<br />

Kreol, Hindi, Urdu, Tamil, Arabisch und Kantonesisch. Laut<br />

dem letzten Zensus von 1982 bestand die Bevölkerung aus 52 % Hindus,<br />

16 % Muslimen, 3 % Sino-Mauritiern und 29 % „General Population“<br />

(darin bilden die Kreolen, d.h. die Nachkommen der ehemaligen<br />

afrikanischen Sklaven in Vermischung mit den anderen<br />

Bevölkerungsgruppen, den größten Anteil).<br />

Dass aus dieser multi-ethnischen Gemengelage ein (von wenigen<br />

historischen Ausnahmen abgesehen) gewaltfreies, stabiles und funktionierendes<br />

Gemeinwesen hervorgegangen ist, nimmt das Projekt<br />

zum Anlass zu fragen, auf welchen gemeinsamen Nenner alle Identitäten,<br />

die sich als mauritisch verstehen, gebracht werden können<br />

und in welchen Formen der „Identitätsarbeit“ kulturelle Spannungen<br />

dort bewältigt werden, um solche Stabilität zu ermöglichen.

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