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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Großer<br />

Terror<br />

1937/1938<br />

Seite 62<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

diskurse einer Nation, die nach 123 Jahren der Teilung durch die<br />

Nachbarmächte ihre verlorene Unabhängigkeit wieder erlangt hatte<br />

und einen Nationalstaat aufzubauen bestrebt war. Dabei erwies sich<br />

das traditionelle religiöse Feindbild vom Juden im katholisch geprägten<br />

polnischen Nationalismus als dankbare Projektionsfläche, die mit<br />

vermeintlichen neuen Gefahren für das moderne Polen überschrieben<br />

wurde. Der Jude war demnach der „innere Feind“ der immer<br />

bereit war, sich mit den Gegnern Polens, sei es den Deutschen, sei es<br />

den Kommunisten, bei günstiger politischer Konstellation zu verbünden.<br />

Diese Suche nach dem „Eigenen“ durch partikulare Ausgrenzung<br />

des „Anderen“ erwies sich jedoch als destabilisierendes Instrument<br />

in einem Staat, der es nicht verstand, seine heterogene<br />

Bevölkerung zu integrieren und so ein geordnetes und produktives<br />

Zusammenleben von Polen, Deutschen, Russen, Ukrainern und eben<br />

auch Juden in ihrer religiösen und kulturellen Vielfalt und sozialen<br />

und wirtschaftlichen Dynamik zu gewährleisten.<br />

Mit Mittelpunkt des Projektes stehen die Fragen nach dem innenpolitischen<br />

Diskurs über den Antisemitismus, seine Ursachen und<br />

Funktionen in Gesellschaft und Politik sowie über die Lösungsvorschläge<br />

der „jüdischen Frage“ in ihrer politischen, sozialen, kulturellen<br />

und wirtschaftlichen Dimension. Dabei werden sowohl der Antisemitismus<br />

und dessen Instrumentalisierung durch das oppositionelle<br />

Nationale Lager als auch die Reaktion auf diesen stärker werdenden<br />

Druck durch die regierende Sanacja in den Blick genommen.<br />

Für die Durchführung des Projekts „Der ‚Große Terror’“ in der sowjetischen<br />

Provinz 1937-1938. Zur Umsetzung des Befehls Nr. 00447<br />

in den Gebieten Char’kov (Ukraine) und Kalinin (Tver’)“ stellt die <strong>Stiftung</strong><br />

Prof. B. Bonwetsch (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Universität<br />

Bochum) Fördermittel zur Verfügung.<br />

Am 31. Juli 1937 wurde der Befehl Nr. 00447 des Volkskommissars des<br />

Innern Ez˘ov vom Politbüro des ZK der KPdSU bestätigt. Es handelt<br />

sich um ein 15 Seiten langes Dokument, das 1992 erstmals, jedoch unvollständig,<br />

in der russischen Zeitung Trud publiziert wurde. Der<br />

Befehl ordnete an, ehemalige Kulaken, Kriminelle, Anhänger von<br />

Religionsgemeinschaften, ehemalige Mitglieder politischer Parteien,<br />

Bürgerkriegsgegner der Bol’s˘eviki (Weiße), Kosaken und ehemalige<br />

Funktionsträger des zaristischen Staates in Lager oder Gefängnisse<br />

einzuweisen bzw. hinzurichten. Die Urteile wurden in Schnellverfahren<br />

von den berüchtigten außergerichtlichen Dreiergremien, den<br />

„Troiki“, ausgesprochen: Ihnen gehörten in der Regel der Leiter des<br />

örtlichen NKVD, der Erste Parteisekretär und der Erste Staatsanwalt<br />

an.<br />

Nach heutigen Schätzungen wurden ca. 770.000 Menschen im Rahmen<br />

dieser Operation, die von August 1937 bin November 1938<br />

andauerte, verurteilt, davon 378.000 zum Tode und 389.000 zu<br />

Haftstrafen. Unter dem Opfern des Großen Mordens 1937-38 befanden<br />

sich auffallend viele einfache Bürger. Ausschlaggebend für eine

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