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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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ETHNOLOGIE<br />

Die Untersuchung wird von folgenden vier Thesen geleitet:<br />

– Mauritius bzw. die Mauritier können bis heute nur eine hybride<br />

Identität ausbilden, die im kommunikativen Handeln beständig<br />

neu ausgehandelt und (re)produziert wird.<br />

– Dies geschieht vor allem über kulturelle Performanzen, weshalb<br />

ein – nach den einzelnen Medien differenziertes – Performanz-<br />

Modell der geeignetste Ansatz zur Beschreibung jener charakteristischen<br />

Situation ist.<br />

– Die zwei als exemplarisch ausgewählten Bereiche der Performanz<br />

– der Séga-Tanz und die kreolische Sprache – sind zentrale Foren<br />

zur Austragung dieser Identitätsarbeit.<br />

– Gerade das zeitgleiche Wirken von Medien kulturell verschiedenen<br />

Ursprungs erlaubt die Aufrechterhaltung des dynamischen<br />

Gleichgewichts in jenem ethnisch hybriden Gemeinwesen.<br />

In den beiden Teilprojekten sollen statistische Erhebungen, Interviews<br />

und audio-visuelle Dokumentationen vor Ort vorgenommen<br />

werden, die jeweils allen Mitarbeiten zur Verfügung stehen werden.<br />

Für die Teilprojekte bestehen folgende Planungen:<br />

Der Séga gilt als Erbe afrikanisch-stämmiger Sklaven, findet aber bei<br />

allen ethnischen Gruppen identifikatorische Akzeptanz; er wird für<br />

Touristen in Hotels oder auf privaten Festen getanzt und ist ein<br />

demokratisch allen zugängliches, Musik, Sprache und Bewegung<br />

umfassendes Medium. In systematischer Feldforschung sollen Geschichte<br />

und Gegenwart dieses Tanzes erhellt und u.a. folgende<br />

Fragen beantwortet werden: Welches sind die „offiziellen“ Imagebildungen,<br />

die für die Identität des Tanzes wichtig sind? Wie setzen<br />

sich die Tanzgruppen nach Anzahl, Geschlecht sowie sozialer, religiöser<br />

und ethnischer Herkunft zusammen? Wie sehen Proben, Aufführungen,<br />

Inszenierungen, Kostüme, Bühnen, Interaktionen mit<br />

dem Publikum etc. aus? Welches Zusammenspiel von Musik, Choreographie<br />

und Text ist feststellbar? Als Untersuchungsgrundlage<br />

soll eine Liste aller auf Mauritius professionell agierenden Séga-<br />

Gruppen erstellt werden; sodann sollen Interviews mit führenden<br />

Mitgliedern geführt und anschließend einzelne Gruppen genauer erforscht<br />

werden (im Zuge dessen sollen möglichst viele Aufführungen<br />

filmisch dokumentiert und mit den Mitteln der Theaterethnologie<br />

ausgewertet werden).<br />

Das Kreolische, ursprünglich das Idiom speziell der Sprechergruppe<br />

der Afromauritier, ist die eigentliche Verbindungssprache auf der Insel<br />

(„offizielle“ Sprachen sind das Englische und Französische), war<br />

aber lange dem informellen, oralen Bereich vorbehalten und wurde<br />

für minderwertig erachtet. Heute zeichnen sich – in der Verwaltung,<br />

den Medien und an der Universität – Tendenzen eines Statuswandels<br />

des Kreolischen ab: es ist im Begriff, sich zu einem Symbol nationaler<br />

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