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Vorwort - Fritz Thyssen Stiftung

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Seite 148<br />

GESCHICHTE, SPRACHE UND KULTUR<br />

Das seit der Aufklärung vorherrschende Paradigma, wonach Wissen<br />

nicht durch Bilder, sondern durch Worte transportiert wird, hat sich<br />

im Bereich der Wissensvermittlung lange halten können, doch werden<br />

gerade in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger bildgebende<br />

Verfahren genutzt, um unsichtbare Prozesse und theoretische<br />

Gegenstände zu versinnlichen und damit Wissen hervorzubringen.<br />

Das Bild als Quelle von Wissensprodukten bildet die Schnittstelle<br />

zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Denkweise. Die<br />

Kreuzpunkte und Überschneidungen herauszuarbeiten, um künstlerisches<br />

Forschen als wissensbildende Tätigkeit transparent und<br />

künstlerisches Denken für die allgemeine Wissensproduktion fruchtbar<br />

zu machen, ist Ziel des Projektes. Das Vorhaben versteht sich<br />

nicht als rein theoretische Untersuchung, sondern soll Theorie und<br />

Praxis durch die Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Bereichen<br />

Kunst, Design und Digitalen Medien miteinander verschränken.<br />

Das Projekt gliedert sich in fünf Teile: In den ersten drei Schritten soll<br />

es darum gehen, die Darstellungstechniken als wissenskonstituierende<br />

und -strukturierende Verfahren historisch zu beleuchten,<br />

die Bildkonzeption der Moderne in Relation zu stellen und das<br />

Verhältnis von Kunst und Wissenschaft in der zweiten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts aufzuarbeiten. Dabei sollen Werke und Schriften<br />

von Leonardo da Vinci, Galileo Galilei und Albrecht Dürer im Kontext<br />

zeitgenössischer Wissenschaftsparadigmen analysiert werden,<br />

um die historische Verklammerung von Kunst und Wissenschaft zu<br />

verdeutlichen: Leonardo führte die technische Zeichnung als neues<br />

Medium wissenschaftlicher Erkenntnis ein und distanzierte sich damit<br />

vom textorientierten Wissen der Scholastik. Seitdem zeigte sich<br />

jegliche Wissenschaft und Wissenstheorie hinsichtlich ihrer Modellbildung<br />

auf bildliche Darstellungsweisen angewiesen. Die Tatsache,<br />

dass Galileo Galilei sich ausgiebig mit der Zeichenkunst befasste,<br />

befähigte ihn, seine durch das Teleskop gemachten Beobachtungen<br />

des Mondes in eine zweidimensionale Darstellung zu übersetzen; die<br />

Analogiebildung von Zeichnen und Beobachten, die mehr Interpretation<br />

als reine Wiedergabe ist, erlaubte es, noch nie Gesehenes<br />

geistig zu durchdringen und begreifbar zu machen.<br />

Im anschließenden Schritt sollen die „Forschungen in der zeitgenössischen<br />

Kunst“ u.a. im Zusammenhang mit ihren sozialen,<br />

kulturellen, geschlechtlichen und institutionellen „Artikulationen“<br />

untersucht werden. Eine Reihe zeitgenössischer Künstler – wie etwa<br />

Renée Greens „Archiv afroamerikanischer Kultur und Politik“, Christine<br />

Borlangs Problematisierung von Wissenschaft und Anatomie in<br />

der Nazizeit oder Mark Dions Untersuchungen von Ordnungs- und<br />

Repräsentationsweisen in der Wissenschaft – ist von einem forschenden<br />

Interesse getragen. Da ihre Arbeiten stets über den künstlerischen<br />

Kontext hinausweisen und dabei zur theoretischen Diskussion<br />

jenseits der Ästhetik anregen, sind Arbeiten mit konventionellen<br />

Bildbegriffen nicht mehr zu fassen. An ausgewählten Beispielen soll<br />

gezeigt werden, von welchen thematischen Voraussetzungen die<br />

Künstler ausgehen, welche Forschungskriterien wirksam sind und

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