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Migrationsleitfaden Version 3.0

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8.4 Beschaffung von OSS: Vergabeentscheidung<br />

Der vergaberechtlich richtige Zeitpunkt für eine Migrationsentscheidung ist die Wertung<br />

der Angebote bei der Vergabeentscheidung. Der Zuschlag ist gemäß § 97 Abs. 5 GWB<br />

auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. § 25 Nr. 3 VOL/A bestimmt näher, dass der<br />

niedrigste Angebotspreis nicht allein entscheidend ist. Es ist deswegen vergaberechtlich<br />

nicht zu beanstanden, wenn sich Behörden entgegen kurzfristiger monetärer Anreize für<br />

ein höherwertiges Angebot entscheiden. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines<br />

Angebots ist das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem<br />

angebotenen Preis.<br />

Vergabefremde Kriterien sind dabei auszuscheiden, es sei denn, sie sind ausdrücklich<br />

durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen (vgl. § 97 Abs. 4 GWB). Entsprechende<br />

Gesetze, welche eine bevorzugte Beschaffung von OSS vorschreiben, sind bislang nicht<br />

erlassen worden, und zwar weder auf Bundes- noch auf Landesebene. "Grundsatzbeschlüsse",<br />

wie etwa der des Deutschen Bundestags vom 09.11.2003, in welchem der<br />

Bundestag "die Einführung von unter Open-Source-Lizenzen erstellten Produkten in der<br />

Bundesverwaltung" gefordert hat 62 , können weder als Ersatz für ein Gesetz im Sinne von<br />

§ 97 Abs. 4 GWB bewertet werden, noch entbinden sie Behörden von den Vorgaben des<br />

Vergaberechts. Die Vergabeentscheidung ist also auch bei Vorliegen entsprechender<br />

Empfehlungen nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip auszurichten.<br />

Bei Anlegung dieser Grundsätze ergibt sich das folgende Bild: Pauschale Hinweise auf<br />

die Förderung von OSS oder des Wettbewerbs auf den IT-Märkten sind als vergabefremde<br />

Kriterien unzulässig. Die IT-Beschaffung durch Behörden ist nicht der richtige<br />

Platz, um Wettbewerbspolitik zu betreiben. Das Gleiche gilt für sozialpolitische oder<br />

sonstige allgemeine Erwägungen. Behörden dürfen entsprechende Argumente bei der<br />

Begründung einer Vergabeentscheidung nicht zugrunde legen.<br />

Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich Behörden nicht mit einem einfachen<br />

Preisvergleich der Gesamtangebote begnügen müssen. Die Erfahrung zeigt, dass<br />

kurzfristige finanzielle Vorteile oftmals später teuer bezahlt werden müssen. Dies kann<br />

insbesondere dann der Fall sein, wenn Behörden Produkte anschaffen, die nur mit<br />

Produkten desselben Anbieters kombiniert werden können oder für die ausschließlich<br />

dieser Anbieter Supportleistungen anbietet. Kurzfristige Preisnachteile können<br />

mittelfristig durch die Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern auf den Folgemärkten<br />

ausgeglichen werden. OSS bietet hier einen strategischen Vorteil. Offene Quelltexte und<br />

die Freiheit, Änderungen an diesen vorzunehmen, sorgen dafür, dass wichtige<br />

Folgemärkte für eine Mehrzahl von Anbietern offen stehen. Dies sorgt für Wettbewerb<br />

und Kostenvorteile. Eine entsprechende Einbeziehung konkret absehbarer Begleit- und<br />

Folgekosten ist im Sinne einer nachhaltigen Verwendung öffentlicher Mittel<br />

wünschenswert. Es sollte hierbei aber nicht direkt auf die zu erwartenden mittel- und<br />

langfristigen Kosten verwiesen werden, denn die Vergabekriterien müssen stets auf die<br />

ausgeschriebene Leistung bezogen sein. Vielmehr müssen die genannten<br />

Eigenschaften von OSS als Vorteil einer Migration zu OSS im Rahmen des Preis-<br />

Leistungs-Vergleichs berücksichtigt werden. Die technische und rechtliche<br />

62 Vgl. den dem Beschluss zugrunde liegenden Antrag der Regierungsfraktionen, Bundes-<br />

tags-Drucksache 14/5246, S. 4 ff.<br />

Seite 70

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