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antragsbuch_2015

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Wohngemeinschaften, die ein gewisses Maß an Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten<br />

schaffen, sind dabei unabdingbar. Außerdem zählt u.a. dazu, dass Geflüchtete innerhalb eines<br />

Wohngebietes untergebracht und nicht an den Stadtrand oder ins Gewerbegebiet abgeschoben<br />

werden. Es muss einen funktionierenden Nahverkehr und eine Nahversorgung geben, damit<br />

eine gesellschaftliche Partizipation möglich ist. Gleichzeitig muss die Kommune Konzepte<br />

entwickeln um eine Annäherung und Verständigung zwischen Geflüchteten und einheimischer<br />

Bevölkerung herzustellen.<br />

Die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wird die Länder und Kommunen in<br />

Zukunft vor eine weitere Herausforderung stellen. Wurden diese bisher nur dort untergebracht,<br />

wo sie zuerst aufgegriffen wurden (meist München, Bremen oder Hamburg), sollen Sie in<br />

Zukunft über die gesamte Bundesrepublik verteilt werden. Wir sprechen uns dafür aus,<br />

unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht in den Erstaufnahmereinrichtungen der Länder<br />

unterzubringen, sondern sofort auf die Kommunen zu verteilen. Flucht und Vertreibung<br />

hinterlassen Spuren, insbesondere bei Minderjährigen. Deshalb muss es zwingend eine<br />

intensive sozialpädagogische sowie ggf. traumatherapeutische Einzelbetreuung für unbegleitete<br />

minderjährige Flüchtlinge geben. Aus diesem Grund sprechen wir uns dafür aus, sie in den<br />

stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen unterzubringen, wo bereits pädagogisch<br />

geschultes Personal vorhanden ist. Die Einrichtungen müssen dabei dem Alter und jeweiligem<br />

Selbstständigkeitsgrad der Jugendlichen angemessen sein. Das Personal muss darüber hinaus<br />

aufgestockt sowie kontinuierlich weitergebildet werden, um eine pädagogisch hochwertige<br />

Betreuung dieser speziellen Zielgruppe sicherzustellen. Außerdem bedarf es zusätzlicher<br />

Traumatherapeut*innen und Dolmetscher*innen in den Einrichtungen.<br />

Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG: Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen<br />

Gewalt.<br />

Die Zustände in vielen Unterkünften sind erschreckend, improvisierte Zwischenlösungen wie<br />

Turn-, Messe- oder Lagerhallen und Baumärkte aber auch manche Gemeinschaftsunterkunft<br />

sind der Unterbringung von Menschen unwürdig. Zusätzlich zu den Belastungsfaktoren die von<br />

der Flucht mitgebracht werden, sind Geflüchtete hier auf engstem Raum in viel zu großen<br />

Zahlen eingezwängt. Dass es unter solchen Bedingungen zu Konflikten und Gewaltausbrüchen<br />

kommt, liegt in der menschlichen Natur und ist nicht verwunderlich. Gleichzeitig kann die einzige<br />

Konsequenz daraus sein, den Menschen konsequent die Privatsphäre und Betreuung zu geben,<br />

die sie brauchen.<br />

Die Idee einer nach Ethnien getrennten Unterbringung oder der Selektion von Geflüchteten aus<br />

vermeintlich sicheren Herkunftsländern lehnen wir strikt ab. Die zynische Unterscheidung<br />

zwischen Kriegs- und sog. Wirtschaftsgeflüchteten verkennt, dass rund ein Drittel der<br />

Geflüchteten aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern Rom*nja und Sinti*ze sind. Sie sind in<br />

ihren Herkunftsländern einer brutalen Diskriminierung ausgesetzt. Sie haben keinen Zugang<br />

zum Arbeitsmarkt, adäquatem Wohnraum oder Gesundheitsversorgung. Nicht selten werden<br />

ihnen selbst lebensnotwendige Maßnahmen in Krankenhäusern verwehrt. Sie werden an den<br />

Rand der Siedlungen verdrängt und sind systematischer Gewalt durch staatliche Institutionen<br />

und weiße Rassist*innen ausgesetzt. Für manche geht es um nicht weniger als das blanke<br />

Überleben. Unter Berücksichtigung dieser Realität ist die Anerkennungsquote bei Asylanträgen<br />

aus Balkanländern in Frankreich, Italien und selbst Großbritannien beispielsweise wesentlich<br />

höher. Es ist für uns unfassbar, dass 70 Jahre nach dem Ende der KZs völlig<br />

geschichtsvergessen wieder über Sammellager für Rom*nja und Sinti*ze nachgedacht wird.<br />

Auch viele Frauen* fliehen vom Westbalkan nach Europa, die Zuhause von massiver häuslicher<br />

und/oder sexueller Gewalt betroffen sind.[1] Länder wie Albanien, wo Frauen kaum reelle<br />

Rechte haben, wo häusliche Gewalt erst seit drei Jahren überhaupt eine Straftat ist, aber für die<br />

(meist männlichen) Täter so gut wie nie Konsequenzen hat, wo Zwangsehen und die<br />

erzwungene Abtreibung weiblicher Föten an der Tagesordnung sind, wo Selbstjustiz und<br />

Blutrache häufige Antworten auf das Aufgebehren von Frauen sind, diese Länder sollen aus<br />

deutscher Sicht zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Nicht nur hier sehen wir, dass<br />

auch in der Asyldebatte die Rechte mancher stärker im Vordergrund stehen als die anderer.<br />

Dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass der Begriff des „sicheren Herkunftslandes“ ein<br />

willkürlicher gewählter ist, der je nach politischer Wetterlage missbraucht wird. Für uns steht<br />

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