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antragsbuch_2015

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Es ist deshalb erforderlich, die öffentlich finanzierten Zuwendungen auf ein Existenzminimum<br />

anzuheben. Deshalb setzen sich die Jusos Thüringen für ein existenzsicherndes<br />

Arbeitsförderungsentgelt auf diesem Niveau ein. Das steuerliche Existenzminimum liegt <strong>2015</strong><br />

bei 8.472 Euro im Jahr, also bei rund 706 Euro monatlich (Ab 2016 8.652,00 €/Jahr, 721,00<br />

€/Monat). Knapp ein Viertel davon erwirtschaften die Werkstattbeschäftigten aus eigener Kraft,<br />

den Rest muss die öffentliche Hand bereitstellen.<br />

Begründung:<br />

Jeder Mensch hat ein Recht darauf, gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. So steht es<br />

unter anderem in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) der Vereinten Nationen, die<br />

seit 2009 auch in Deutschland gilt. Die UN-BRK eröffnet einen neuen Blick auf Menschen mit<br />

Behinderungen: Sie betrachtet Behinderung als Bestandteil des menschlichen Lebens und<br />

fördert die Selbstbestimmung und Teilhabe in der Gesellschaft. Dabei zielt die UN-BRK auf eine<br />

umfassende Inklusion und damit Zugehörigkeit, denn kein Mensch darf ausgeschlossen,<br />

ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden. Das Ziel von Inklusion ist, dass alle Menschen<br />

frei und gleich und auf der Grundlage der Menschenwürde und der eigenen Selbstbestimmung<br />

miteinander ihr Leben gestalten können. Doch von der rechtlichen zur tatsächlichen<br />

Gleichstellung behinderter Menschen ist es noch ein weiter Weg.[4] Gerade der erste<br />

Arbeitsmarkt zeigt sich gegenüber diesem Ziel sehr schwerfällig. In Deutschland ist entgegen<br />

der ebenfalls in der UN-BRK enthaltenen Forderung nach einer Senkung der Zahl der<br />

Werkstattbeschäftigten und deren Inklusion in reguläre Beschäftigungsverhältnisse sogar ein<br />

gegenteiliger Trend zu beobachten. So ist seit mehreren Jahren ein Anstieg zu verzeichnen,<br />

(welcher aber auch zum Teil im demografischen Wandel begründet liegt, jedoch bei Weitem<br />

keinen alleinigen Grund hierfür darstellt). Waren in Deutschland im Jahr 1994 erst 152.501<br />

Menschen in Werkstätten beschäftigt, beliefen sie sich im Jahr 2000 bereits auf 194.722, 2005<br />

auf 256.556 und 2007 auf 275.492. Am 1. Januar 2011 lag die Zahl der Werkstattbeschäftigten<br />

bei 297.293.[5] Für 2013 wird deren Anzahl mit ca. 300.000 angegeben.[6] Dies entspricht einer<br />

Steigerung von ca. 97 Prozent in 19 Jahren.<br />

Jedoch soll die problematische Situation des Anstiegs dieser Zahlen nicht das (Haupt-)Anliegen<br />

dieses Antrages sein, eine Forderung nach der Thematisierung des komplexen Bereiches<br />

„Inklusion“ durch die Jusos und die SPD Thüringen ist hiermit aber gleichwohl verbunden.<br />

Wie weiter oben beschrieben, werden – zumindest auf absehbare Zeit – Werkstätten ein<br />

unverzichtbarer Bestandteil der Beschäftigungspolitik für behinderte Menschen bleiben. Daher<br />

ist es erforderlich, das System der Werkstätten so zu reformieren, dass den Betroffenen auch<br />

innerhalb dieses Systems ein menschenwürdiges und individuell gestaltbares Leben ermöglicht<br />

wird.<br />

Doch wie kommt dieses bisherige sehr geringe Einkommen zustande? Das wirtschaftliche<br />

Ergebnis der Werkstatt war bis 2001 die alleinige Quelle des Verdienstes der<br />

Werkstattbeschäftigten. Es ist deshalb so niedrig, weil Werkstattarbeit nicht mit Erwerbsarbeit<br />

vergleichbar ist. Werkstattarbeit besteht zum einen Teil aus den Eingliederungsleistungen der<br />

Fachkräfte und zum anderen aus der wertschaffenden Arbeit der Werkstattbeschäftigten. Die<br />

Arbeit ist von Werkstattleistungen begleitet: pädagogisch angeleitet, individuell gestaltet und<br />

therapeutisch kompensiert. Werkstattarbeit ist deshalb eine komplexe Dienstleistung. Seit 2001<br />

hat der Werkstattbeschäftigte Anspruch auf ein Arbeitsförderungsgeld – von maximal 26 Euro<br />

monatlich.[7]<br />

Da der durchschnittliche Verdienst nicht zum Bestreiten des Lebensunterhaltes ausreicht,<br />

beziehen die meisten Mitarbeiter_innen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§<br />

41 ff. SGB XII). Diese Leistungen werden nach Regelsätzen bemessen, welche die jeweiligen<br />

Landesregierungen festlegen (§ 28 Abs. 2 SGB XII). Es findet jedoch hier eine Einkommensund<br />

Vermögensanrechnung statt (§ 41 Abs 1, § 82 SGB XII), auch von nicht getrennt lebenden<br />

Ehe- oder Lebenspartnern, wenn deren Einkommen und Vermögen einen fiktiven Betrag<br />

übersteigt, den der/die Partner_in selbst als Hilfe erhalten würde bzw. der als Vermögen<br />

anrechenbar wäre, wenn diese(r) leistungsberechtigt wäre (§ 43 Abs. 1 SGB XII). Ebenso wird<br />

der Regelsatz bei kostenlosen Mittagessen in den Werkstätten gemindert (§ 28 Abs. 1 Satz 2<br />

SGB XII).<br />

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