29.11.2015 Views

antragsbuch_2015

antragsbuch_2015

antragsbuch_2015

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

40<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

48<br />

49<br />

50<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

56<br />

57<br />

58<br />

59<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

65<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

70<br />

71<br />

72<br />

73<br />

74<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

84<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

90<br />

91<br />

92<br />

93<br />

94<br />

95<br />

96<br />

97<br />

98<br />

99<br />

100<br />

auf die des Geldhandels ausgeschlossen.<br />

Dieses Denken ist geradezu zwangsläufig verknüpft mit der Vernichtungsphantasie, dass die<br />

Probleme der Welt zu lösen seien, indem die Jüdinnen und Juden, artikuliert als die ‚Elite‘<br />

beseitigt bzw. entmachtet werden. So haben auch nahezu alle Verschwörungstheorien gemein,<br />

einen antisemitischen Beigeschmack zu haben oder sie lassen sich ohne große Anstrengung<br />

auf das antisemitische Feindbild übertragen. So lässt sich auch der Vorwurf des Antisemitismus<br />

gegenüber dem vermeintlich linken Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen nachvollziehen.<br />

Auch einige globalisierungs- und kapitalismuskritische Argumentationen sind verkürzt und<br />

deshalb oft antisemitisch. So wird aus Kapitalismus- lediglich Kapitalistenkritik.<br />

Sekundärer Antisemitismus<br />

Das Thema Antisemitismus ist mittlerweile eng verknüpft mit dem Zweiten Weltkrieg und der<br />

deutschen Geschichte. Die Shoa stellt einen Wendepunkt dar im Umgang mit Jüdinnen und<br />

Juden, denn sie ist der Auslöser des sogenannten sekundären Antisemitismus. Die beiden<br />

grundsätzlichen Motive des sekundären Antisemitismus sind die Relativierung und Leugnung<br />

des Holocaust und die Projektion der Schuld auf die Jüdinnen und Juden selbst als TäterInnen-<br />

Opfer-Umkehr.<br />

Auch der Nationalismus und das Verlangen nach kollektiver Identität haben eine<br />

Katalysatorfunktion für sekundären Antisemitismus. Wer sich heute ungebrochen mit der<br />

deutschen Nation identifizieren möchte, wird auf das Hindernis Auschwitz stoßen und dazu<br />

tendieren, entweder die Fakten zu leugnen, die Schuld nicht anzuerkennen oder mit<br />

Gegenangriffen und Schuldprojektionen auf Jüdinnen und Juden zu reagieren. Es gibt sogar<br />

einen empirisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Nationalismus und der Ablehnung<br />

der Vergangenheitsbewältigung. Es geht nicht mehr um die Frage der Exklusion der Jüdinnen<br />

und Juden aus dem nationalen Kollektiv wie bis 1945 und wie heute im Fall der<br />

„AusländerInnen“, sondern Jüdinnen und Juden werden wegen ihrer Mahnungen, den<br />

Holocaust und seine Ursachen nicht zu vergessen, für den prekären Zustand des nationalen<br />

Selbstbewusstseins mitverantwortlich gemacht.<br />

In diesem Zusammenhang werden heutzutage immer wieder Stimmungen laut, wie zum<br />

Beispiel "Das ist 70 Jahre her, was hat das mit uns zu tun". Ziel solcher Behauptungen ist die<br />

Bagatellisierung der Shoa. Um wieder eine kollektive Identität herstellen und eine positive<br />

Beziehung zur deutschen Nation aufbauen zu können, wird die Geschichte relativiert,<br />

beispielsweise durch den Vergleich zu anderen Genoziden. Auch wird oft behauptet, die<br />

Jüdinnen und Juden wären auf einen eigenen Vorteil bedacht, indem sie an die Shoa erinnern.<br />

Dadurch versuchen vor allem Rechtsextreme die eigene Argumentation zu legitimieren, etwa<br />

durch die These "Man darf ja nichts mehr gegen Israel sagen, sonst ist man gleich Antisemit".<br />

Israel-Kritik<br />

Kritik an der Israelischen Politik in Bezug auf den Nahostkonflikt ist ein besonderes Feld der<br />

antisemitischen Agitation. Auch hier tritt ein sehr altes antisemitisches Vorurteil zutage.<br />

Religiöser Antisemitismus, welcher Jüdinnen und Juden den Vorwurf der JesusmörderInnen und<br />

VerräterInnen an der ‚wahren‘ Religion des Christentums anlastet, stellt immer die<br />

Existenzberechtigung des jüdischen Volkes an sich in Frage, seit über 2000 Jahren. Übertragen<br />

auf die heutige Situation wird wieder die Existenz des jüdischen Volkes durch die Existenz des<br />

jüdischen Staates kritisiert. Israel-Kritik ist somit oftmals nicht die Kritik am Handeln des Staates<br />

Israel, sondern an der Existenz des Staates an sich.<br />

Auch wird oft behauptet, Israel-Kritik sei ein gesellschaftliches Tabu, dabei ist eher das<br />

Gegenteil der Fall. Bei keinem anderen Konflikt auf der Welt besteht so ein großes Bedürfnis,<br />

das Handeln der Akteurin oder des Akteurs zu kommentieren, was beispielsweise immer wieder<br />

in den Kommentarspalten der großen und bekannten Onlinezeitschriften zu sehen ist. Wenn es<br />

mal wieder zu einer öffentlichen Debatte über den Nahostkonflikt kommt, scheint nahezu jedeR<br />

einE Israel-ExpertIn zu sein. JederR hat eine Meinung und eine wie und warum auch immer<br />

gefestigte Position zu diesem Thema, alle kennen die vermeintliche Wahrheit. Auch wird immer<br />

versucht, den Nahostkonflikt in ein Verhältnis zu setzen mit den Geschehnissen des Zweiten<br />

Weltkrieges, wobei die klassische TäterInnen-Opfer-Umkehr stattfindet. So wird beispielsweise<br />

93

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!