30.12.2012 Aufrufe

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

war ihm nicht entgangen, daß die religiöse Einstellung bei der Therapie des<br />

seelisch leidenden Menschen eine entscheidende Rolle spielt. Dies deckte<br />

sich mit seiner Erkenntnis, daß die Seele spontan Bilder religiösen Inhalts<br />

hervorbringe, daß sie mithin «<strong>von</strong> N<strong>at</strong>ur aus religiös» sei. Ein Abweichen <strong>von</strong><br />

dieser ihrer Grundn<strong>at</strong>ur wurde <strong>von</strong> <strong>Jung</strong> als Ursache zahlreicher Neurosen,<br />

besonders in der zweiten Lebenshälfte, erkannt.<br />

<strong>Jung</strong>s Begriff des Religiösen unterscheidet sich in manchem vom<br />

traditionellen Christentum. Vor allem in seiner Antwort auf die Frage nach<br />

dem Bösen und in der Vorstellung eines nicht nur guten oder «lieben» Gottes.<br />

Vo m Gesichtspunkt des dogm<strong>at</strong>ischen Christentums aus war <strong>Jung</strong> ein<br />

Outsider. Dies h<strong>at</strong> er in den Reaktionen auf sein Werk, bei allem Weltruhm,<br />

immer wieder zu spüren bekommen. Er h<strong>at</strong> darunter gelitten, und auch in die<br />

Zeilen dieses Buches mischt sich hie und da die Enttäuschung des Forschers,<br />

der sich in seinen religiösen <strong>Gedanken</strong> nicht restlos verstanden fühlte. Mehr<br />

als einmal ließ er sich mit grimmiger Betonung vernehmen:<br />

«Im Mittelalter hätte man mich verbrannt!» Erst nach seinem Tode mehren<br />

sich die Stimmen der Theologen mit der Feststellung, <strong>Jung</strong> sei aus der<br />

Kirchengeschichte unseres Jahrhunderts nicht mehr wegzudenken.<br />

<strong>Jung</strong> bekannte sich ausdrücklich zum Christentum, und die bedeutendsten<br />

seiner Werke handeln <strong>von</strong> den religiösen Fragen des christlichen Menschen,<br />

die er vom Gesichtspunkt der Psychologie und in bewußter Abgrenzung <strong>von</strong><br />

der theologischen Fragestellung aus betrachtete. Indem er dies t<strong>at</strong>, stellte er<br />

der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens<br />

und Nachdenkens gegenüber. Für ihn war das Selbstverständlichkeit und Lebensnotwendigkeit.<br />

«Ich finde, daß alle meine <strong>Gedanken</strong> um Gott kreisen wie<br />

die Planeten um die Sonne und wie diese <strong>von</strong> Ihm als der Sonne<br />

unwiderstehlich angezogen sind. Ich müßte es als gröbste Sünde empfinden,<br />

wenn ich dieser Gewalt Widerstand entgegensetzen sollte», schrieb er 1952<br />

einem jungen Ordensgeistlichen.<br />

In seinem Erinnerungsbuch spricht <strong>Jung</strong> zum ersten und einzigen Mal <strong>von</strong><br />

Gott und <strong>von</strong> seiner persönlichen Erfahrung Gottes. In den Tagen, als er über<br />

seine jugendliche Auflehnung gegen die Kirche schrieb, sagte er einmal:<br />

«Damals wurde mir klar, daß Gott, für mich wenigstens, eine der<br />

allersichersten unmittelbaren Erfahrungen war.» In seinem wissenschaftlichen<br />

Werk spricht <strong>Jung</strong> nicht <strong>von</strong> Gott, sondern vom «Gottesbild in der menschli-<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!