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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Die Blechmusik in der Hotelhalle deutet auf ostent<strong>at</strong>ive Fröhlichkeit und<br />

Weltlichkeit. Kein Mensch würde hinter dieser lauten Fassade die andere<br />

Welt geahnt haben, die sich auch noch im Haus befand. Das Traumbild der<br />

Halle ist sozusagen eine Karik<strong>at</strong>ur meiner bonhomie oder weltlichen<br />

Jovialität. Das ist aber nur die Außenseite; dahinter liegt etwas ganz anderes,<br />

das sich jedenfalls bei Blechmusik nicht erörtern läßt: das Fischlabor<strong>at</strong>orium<br />

und die hängenden Geisterhäuschen. Beides waren eindrucksvolle Orte, in<br />

denen geheimnisvolle Stille herrschte. Ich h<strong>at</strong>te das Gefühl: hier lebte die<br />

Nacht, wäh rend die Halle die Tagwelt und ihre oberflächliche Weltlichkeit<br />

darstellte.<br />

Die wichtigsten Bilder des Traumes waren der «Geisterempfangsraum»<br />

und das Fischlabor<strong>at</strong>orium. Ersterer drückt auf eine etwas skurrile Weise das<br />

Problem der coniunctio, oder der Übertragung aus; und das Labor<strong>at</strong>orium<br />

weist auf meine Beschäftigung mit Christus hin, der ja selber der Fisch<br />

(ichthys) ist. Beides waren Inhalte, die mich mehr als ein Jahrzehnt lang in<br />

Atem hielten.<br />

Es ist merkwürdig, daß die Beschäftigung mit dem Fisch im Traum<br />

meinem V<strong>at</strong>er <strong>at</strong>tribuiert ist. Er ist sozusagen ein Betreuer christlicher<br />

Seelen, denn diese sind nach alter Anschauung Fische, die im Netze Petri<br />

gefangen werden. Ebenso merkwürdig ist die T<strong>at</strong>sache, daß meine Mutter als<br />

Hüterin abgeschiedener Seelen erscheint. So sind im Traum meine beiden<br />

Eltern belastet mit dem Problem der cura animarum, die doch eigentlich<br />

meine Aufgabe ist. Etwas war unvollendet geblieben und darum noch bei den<br />

Eltern, also noch l<strong>at</strong>ent im Unbewußten und damit der Zukunft vorbehalten.<br />

Noch h<strong>at</strong>te ich mich nämlich mit dem Hauptanliegen der «philosophischen»<br />

Alchemie, der coniunctio, nicht auseinandergesetzt und damit jene Frage<br />

nicht beantwortet, welche die Seele des christlichen Menschen an mich<br />

stellte, und noch war die große Arbeit an der Gralssage, die sich meine Frau<br />

zu ihrer Lebensaufgabe gemacht h<strong>at</strong>te, nicht vollendet 1B . Ich erinnere mich,<br />

wie oft mir die «Queste du St. Graal» und der Fischerkönig in den Sinn<br />

kamen, als ich am Ichthyssymbol in «Aion» arbeitete. Wenn mich die<br />

Rücksicht auf die Arbeit meiner Frau nicht gehindert hätte, so<br />

18 Nach dem Tode meiner Frau, 1955, h<strong>at</strong> Dr. Marie-Louise <strong>von</strong> Franz die Arbeit am<br />

Gral aufgenommen und 1958 zu einem guten Ende geführt. Vergl. E. <strong>Jung</strong> und M.-L. v.<br />

Franz «Die Graalslegende in psychologischer Sicht». Studien aus dem C. G. <strong>Jung</strong>-<br />

Institut, Band XII, Zürich 1960.<br />

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