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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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über die Familie bei den Elgonyi: Es war ein auffallend schöner Jüngling mit<br />

Namen Gibro<strong>at</strong>, ein Häuptlingssohn <strong>von</strong> liebenswürdigen, eleganten<br />

Manieren, dessen Vertrauen ich offensichtlich gewonnen h<strong>at</strong>te. Er nahm zwar<br />

gerne meine Zigaretten an, war aber nicht darauf erpicht, Geschenke zu<br />

erhalten wie die anderen. Er erzählte mir viel Interessantes und st<strong>at</strong>tete mir<br />

<strong>von</strong> Zeit zu Zeit einen «gentleman-Besuch» ab. Ich fühlte, daß er irgend etwas<br />

im Sinne h<strong>at</strong>te, irgendeinen Wunsch hegte. Erst nach längerer Bekanntschaft<br />

kam er mit dem völlig unerwarteten Anliegen heraus, er wolle mich mit seiner<br />

Familie bekannt machen. Ich wußte aber, daß er selber noch unverheir<strong>at</strong>et und<br />

seine Eltern tot waren. Es handelte sich um eine ältere Schwester. Sie war<br />

verheir<strong>at</strong>et als zweite Frau und h<strong>at</strong>te vier Kinder. Er wünschte sich sehr, daß<br />

ich ihr einen Besuch machte, so daß sie Gelegenheit hätte, mich<br />

kennenzulernen. Sie stand für ihn offenbar an Mutterstelle, und ich sagte zu,<br />

weil ich auf diese sozusagen gesellschaftliche Weise in das Familienleben<br />

Einblick zu gewinnen hoffte.<br />

«Madame etait chez eile», sie tr<strong>at</strong> aus der Hütte, als wir ankamen, und<br />

begrüßte mich auf die n<strong>at</strong>ürlichste Weise der Welt. Sie war eine hübsche Frau<br />

<strong>von</strong> mittlerem Alter, d. h. etwa dreißig Jahre alt; außer dem oblig<strong>at</strong>en<br />

Kaurigürtel trug sie Arm- und Fußringe, in den übermäßig ausgedehnten<br />

Ohrläppchen einigen Kupferschmuck und über der Brust ein kleines Wildfell.<br />

Ihre vier kleinen «mtotos» h<strong>at</strong>te sie in die Hütte gesperrt, <strong>von</strong> wo sie durch<br />

die Türspalten äugten und aufgeregt kicherten. Auf meine Bitte ließ sie sie<br />

heraus. Es brauchte eine ganze Weile, bis sie sich herausgetrauten. Die junge<br />

Frau h<strong>at</strong>te die ausgezeichneten Manieren des Bruders, der aus Freude über<br />

den gelungenen Coup übers ganze Gesicht strahlte.<br />

Man setzte sich nicht nieder, da es nichts gab, auf das man sich hätte setzen<br />

können außer der staubigen Erde, die mit Hühnermist und Ziegenpillen<br />

bedeckt war. Die Unterhaltung bewegte sich im konventionellen Rahmen<br />

eines halbfamiliären drawing-room-Gesprächs, das sich um Familie, Kinder,<br />

Haus und Garten drehte. Ihre ältere Nebenfrau, deren Grundstück an das<br />

ihrige grenzte, h<strong>at</strong>te sechs Kinder. Die Boma der «Schwester» befand sich in<br />

etwa 80 m Entfernung. Ungefähr in der Mitte zwischen den beiden<br />

Frauenhütten, aber im Dreieck dazu, stand die Hütte des Mannes und dahinter<br />

in etwa 50 m Entfernung eine kleine Hütte, die der schon erwachsene Sohn<br />

der ersten Frau bewohnte. Jede der beiden<br />

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