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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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wischen, und einmal kommt einer daran vorüber und weiß, was er gefunden<br />

h<strong>at</strong>. Ich sah ein, daß ich eigentlich aus Mangel an besserem nur redete, anst<strong>at</strong>t<br />

T<strong>at</strong>sachen vorzulegen, und an letzteren gebrach es mir völlig. Ich h<strong>at</strong>te nichts<br />

in den Händen. Mehr denn je trieb es mich zur Empirie. Ich nahm es den<br />

Philosophen übel, daß sie <strong>von</strong> all dem redeten, was keiner Erfahrung zugäng-<br />

lich war und überall da schwiegen, wo man auf eine Erfahrung hätte<br />

antworten sollen. Es schien mir zwar, daß ich irgend einmal und irgendwo<br />

durchs Diamantental gekommen sei, aber ich konnte niemanden da<strong>von</strong><br />

überzeugen, daß die Gesteinsproben, die ich mitgebracht h<strong>at</strong>te, etwas anderes<br />

als Kieselsteine waren, auch mich selber nicht, bei näherem Zusehen.<br />

Es war 1898, als ich anfing, mich mit meinem zukünftigen Beruf als Arzt<br />

auseinanderzusetzen. Ich gelangte bald zur Einsicht, daß ich mich<br />

spezialisieren müsse. Dafür kam nur Chirurgie oder innere Medizin in<br />

Betracht. Zu ersterer neigte ich wegen meiner speziellen Ausbildung in<br />

An<strong>at</strong>omie und meiner Vorliebe für p<strong>at</strong>hologische An<strong>at</strong>omie, und ich hätte sie<br />

höchst wahrscheinlich als Beruf in Betracht gezogen, wenn mir die nötigen<br />

finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Es war mir<br />

außerordentlich peinlich, daß ich Schulden machen mußte, um überhaupt<br />

studieren zu können. Ich wußte, daß ich nach dem Schlußexamen sobald wie<br />

möglich meinen Lebensunterhalt verdienen mußte. Ich stellte mir daher eine<br />

Assistentenlaufbahn an irgendeinem Kantonsspital vor, wo man eher auf eine<br />

bezahlte Stelle hoffen konnte als an einer Klinik. Eine klinische Stelle hing<br />

aber in hohem Maße <strong>von</strong> Protektion oder <strong>von</strong> der persönlichen Symp<strong>at</strong>hie des<br />

Chefs ab. In Ansehung meiner zweifelhaften Popularität und meiner so oft<br />

erfahrenen Befremdlichkeit wagte ich nicht an einen Glücksfall zu denken<br />

und begnügte mich daher mit der bescheidenen Möglichkeit, wenigstens an<br />

irgendeinem lokalen Krankenhaus als Assistent unterzukommen. Das übrige<br />

hing dann <strong>von</strong> meinem Fleiß, meiner Tüchtigkeit und Verwendbarkeit ab.<br />

In den Sommerferien ereignete sich nun etwas, das mich aufs tiefste<br />

beeinflussen sollte. Eines Tages saß ich in meinem Arbeitszimmer und<br />

studierte meine Lehrbücher. Im Nebenzimmer, dessen Tür halb offen stand,<br />

saß meine Mutter und strickte. Es war unser Eßzimmer, in welchem der runde<br />

Eßtisch aus Nußbaumholz stand. Er stammte aus dem Trousseau meiner<br />

Großmutter väterlicherseits<br />

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