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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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teilen h<strong>at</strong>te, war eine Beichte: vor zwanzig Jahren h<strong>at</strong>te sie aus Eifersucht<br />

einen Mord begangen. Sie h<strong>at</strong>te ihre beste Freundin vergiftet, weil sie deren<br />

Mann heir<strong>at</strong>en wollte. Nach ihrer Ansicht spielte ein Mord für sie keine Rolle,<br />

wenn er nicht entdeckt würde. Wenn sie den Mann ihrer Freundin heir<strong>at</strong>en<br />

wolle, so könne sie sie einfach aus dem Wege räumen. Das war ihr Standpunkt.<br />

Moralische Bedenken kämen für sie nicht in Betracht.<br />

Und nachher? Sie h<strong>at</strong> zwar den Mann geheir<strong>at</strong>et, aber er ist sehr bald,<br />

ziemlich jung, gestorben. In den folgenden Jahren ereigneten sich seltsame<br />

Dinge: die Tochter aus dieser Ehe strebte, sobald sie erwachsen war, <strong>von</strong> der<br />

Mutter weg. Sie heir<strong>at</strong>ete jung und zog sich immer mehr zurück. Schließlich<br />

verschwand sie aus ihrem Gesichtskreis, und die Mutter verlor jeden Kontakt<br />

mit ihr.<br />

Die Frau war eine leidenschaftliche Reiterin und besaß mehrere Reitpferde,<br />

die ihr Interesse in Anspruch nahmen. Eines Tages entdeckte sie, daß die<br />

Pferde anfingen, unter ihr nerv ös zu werden. Sogar ihr Lieblingspferd<br />

scheute und warf sie ab. Schließlich mußte sie das Reiten aufgeben. Sie hielt<br />

sich nunmehr an ihre Hunde. Sie besaß einen besonders schönen Wolfshund,<br />

an dem sie sehr hing. Der «Zufall» wollte es, daß gerade dieser Hund <strong>von</strong><br />

einer Lähmung befallen wurde. Da war das Maß voll, und sie fühlte sich<br />

«moralisch erledigt». Sie mußte beichten, und zu diesem Zweck kam sie zu<br />

mir. Sie war eine Mörderin, aber darüber hinaus h<strong>at</strong>te sie sich auch selbst<br />

gemordet. Denn wer ein solches Verbrechen begeht, zerstört seine Seele. Wer<br />

mordet, ist schon selbst gerichtet. H<strong>at</strong> jemand ein Verbrechen begangen und<br />

wird gefaßte so erreicht ihn die gerichtliche Strafe. H<strong>at</strong> er es im Geheimen<br />

getan, ohne moralische Bewußtheit, und bleibt unentdeckt, so kann ihn die<br />

Strafe trotzdem erreichen, wie unser Fall zeigt. Es kommt doch an den Tag.<br />

Mitunter sieht es so aus, als ob auch die Tiere und Pflanzen es «wüßten».<br />

Die Frau ist durch den Mord sogar den Tieren fremd geworden und in eine<br />

unerträgliche Einsamkeit ger<strong>at</strong>en. Um ihre Einsamkeit loszuwerden, h<strong>at</strong> sie<br />

mich zu ihrem Mitwisser gemacht. Sie mußte einen Mitwisser haben, der kein<br />

Mörder war. Sie wollte einen Menschen finden, der ihre Beichte<br />

voraussetzungslos annehmen konnte;<br />

denn damit würde sie gewis sermaßen wieder eine Beziehung zur Menschheit<br />

gewinnen. Es durfte aber kein professioneller Beichtv<strong>at</strong>er, sondern mußte ein<br />

Arzt sein. Bei einem Beichtv<strong>at</strong>er hätte sie vermutet, daß er sie <strong>von</strong> Amts<br />

wegen anhörte; daß er die T<strong>at</strong>sachen<br />

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