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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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mich mit unerwarteter Gewalt und versetzten mich in eine Emotion, die dann<br />

bei mir einzutreten pflegt, wenn ich einer Sache oder Person oder eines<br />

<strong>Gedanken</strong>s ansichtig werde, deren Bedeutung mir noch unbewußt ist. Die<br />

Stupas liegen auf einem Felshügel, zu dessen Anhöhe ein angenehmer Weg<br />

über große Steinpl<strong>at</strong>ten in grüner Wiese führt. Es sind Grabmäler, bzw.<br />

Reliquienbehälter <strong>von</strong> halbkugeliger Form, eigentlich zwei<br />

übereinandergestülpte Reis schalen (konkav auf konkav), entsprechend der<br />

Vorschrift des Buddha im Mahä-Parinibbäna-Sütra. Sie sind <strong>von</strong> den<br />

Engländern in pietätvoller Weise wieder hergestellt worden. Das größte dieser<br />

Gebäude ist <strong>von</strong> einer Mauer mit vier kunstvollen Toren umgeben. Wenn man<br />

eintritt, führt der Weg nach links zu einer Cir-cumambul<strong>at</strong>ion im Sinne des<br />

Uhrzeigers. An den vier Kardinalpunkten stehen St<strong>at</strong>uen des Buddha. H<strong>at</strong><br />

man die eine Circumam-bul<strong>at</strong>ion vollendet, so betritt man einen zweiten<br />

höher liegenden Rundweg, der im selben Sinne verläuft. Der weite Blick über<br />

die Ebene, die Stupas selber, die Tempelruinen und die einsame Stille des<br />

heiligen Ortes bilden ein unbeschreibliches Ganzes, das mich ergriff und<br />

festhielt. Nie zuvor war ich <strong>von</strong> einem Ort dermaßen verzaubert worden. Ich<br />

trennte mich <strong>von</strong> meinen Gefährten und versank in die überwältigende<br />

Stimmung.<br />

Da hörte ich aus der Ferne näher kommend rhythmische Gongtöne. Es war<br />

eine Gruppe japanischer Pilger, die, einer hinter dem ändern marschierend,<br />

einen kleinen Gong schlugen. Sie skandierten damit das uralte Gebet: Om<br />

mani padme hum - wobei der Gongschlag auf das «hum» fiel. Sie verneigten<br />

sich tief vor den Stupas und tr<strong>at</strong>en dann durch das Tor ein. Dort verneigten sie<br />

sich wieder vor der Buddhast<strong>at</strong>ue und intonierten einen choralartigen Gesang.<br />

Dann vollzogen sie die doppelte Circumambul<strong>at</strong>ion, wobei sie vor jeder<br />

Buddhast<strong>at</strong>ue einen Hymnus sangen. Indem meine Augen sie beobachteten,<br />

gingen Geist und Gemüt mit ihnen, und etwas in mir bedankte sich<br />

schweigend bei ihnen dafür, daß sie meiner Unartikuliertheit in so trefflicher<br />

Weise zu Hilfe gekommen waren.<br />

Meine Ergriffenheit zeigte mir, daß der Hügel <strong>von</strong> Sanchi etwas Zentrales<br />

für mich darstellte. Es war der Buddhismus, der mir dort in einer neuen<br />

Wirklichkeit erschien. Ich verstand das Leben Buddhas als die Wirklichkeit<br />

des Selbst, die ein persönliches Leben durchdrungen und für sich in Anspruch<br />

genommen h<strong>at</strong>. Für Buddha steht das Selbst über allen Göttern und stellt die<br />

Essenz<br />

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